So definiert die AGGM ihre Herangehensweise in die Energie-/ Gasnetzzukunft – ein Interview mit Mag. Michael Woltran und Mag. Bernhard Painz, Vorständen der Austrian Gas Grid Management AG
P2M: Die AGGM – ein key-player der Erdgasmarktliberalisierung – hatte von Anfang an Aufgaben zu lösen – wie beispielsweise Erstellung der Netzentwicklungspläne „Langfristige und integrierte Planung“ (LFiP) – die auf gesamtösterreichischer Ebene neu waren. Die Aufgabenstellungen wurden stetig erweitert. Wie schafft es die AGGM die Vielfalt der komplexen Aufgabengebiete in einem dynamischen Umfeld zu bewältigen – zumal dies auf hohem Niveau erfolgen muss? Wie motivieren und schulen Sie ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter?
AGGM: Die AGGM AG als kleines, hoch spezialisiertes Unternehmen war von seiner Gründung vor mehr als zwanzig Jahren an, mit der Herausforderung konfrontiert, Fachkräfte zu finden und im Unternehmen zu halten. Unsere Mitarbeiter:innen benötigen aber nicht nur ausgesprochene Expertise in fachlichen Themen zum Gasmarktmodell, Gasnetzbetrieb und Energieinfrastrukturplanung, sie müssen darüber hinaus auch exzellente Kommunikator:innen sein, um im Fachdiskurs mit Stakeholdern überzeugend argumentieren zu können. Wir investieren als Unternehmen sehr viel in die Aus- und Weiterbildung und pflegen auch eine sehr bewusst gestaltete Unternehmensführung: partizipativ, wertschätzend und mit einer sehr offenen und intensiven Kommunikation.
Aber dies wäre wohl zu wenig! Auch die Aufgabe muss „stimmen“. Deshalb verfolgen wir eine glasklare Strategie mit einer für Mitarbeiter attraktiven Ausrichtung. Mit der obersten Maxime Versorgungssicherheit im operativen Betrieb der Gasinfrastruktur, einer hohen Kundenorientierung bei den administrativen Aufgaben und dem klaren Fokus auf die Energiewende in der Infrastrukturplanung, mit der wir die Energiesystemwende substantiell mitgestalten können, hat AGGM ein durchaus spannendes „Portfolio“ zu bieten. Dabei geben wir den Mitarbeiter:innen viel Raum für die kreative Lösungsfindung von herausfordernden Zielen.
P2M: AGGM hat es geschafft den Gasnetzbetrieb auch in stürmischen Zeiten – wie z.B. im Jahr 2006 und 2009 und noch viel mehr im Jahr 2022 während des von Präsident Putin befohlenen Angriffskrieges zwischen der Ukraine und Russland – aufrechtzuerhalten. Welche kritischen Hürden galt es zu überwinden und welche (Lebens)Erfahrungen haben sie daraus gewonnen?
AGGM: Die Energiewirtschaft hat die enorm wichtige gemeinwirtschaftliche Aufgabe, die Energiekunden sicher – auch in krisenhaften Phasen – mit Energie zu versorgen. Im Normalfall passiert das ohne großes öffentliches Aufsehen, quasi im Hintergrund wird das technisch sehr komplexe System am Laufen gehalten.
In krisenhaften Phasen ist das dann ganz anders. Jeder und jede ist von Unsicherheiten und insb. hohen Preisen betroffen, die politische Komponente der Energiewirtschaft, bekommt dann eine noch größere Bedeutung. Im öffentlichen Diskurs kann das dann auch sehr leicht zu emotional hoch aufgeladenen Diskussionen führen.
Aber gerade in schwierigen Zeiten ist es wichtig, mit „ruhiger Hand“ und „klarem Blick“ das Energieschiff auf Kurs zu halten. Vorschneller Aktionismus hilft hier meist wenig, eingespielte Abläufe können nicht auf Zuruf abgeändert werden, vermeintlich einfache Lösungen für komplexe Sachverhalte gibt es nicht.
Demgemäß ist in Krisenzeit die größte Herausforderung, gesicherte Fakten zu ermitteln, technisch abgesicherte Maßnahmen für die Sicherstellung der Versorgung zu finden und diese so in die Diskussion einzubringen, dass überschießende Handlungen durch Wirtschaft oder Politik vermieden werden. Und da muss man auch ehrlich sein: manchmal gelingt dies besser, als in anderen Fällen…ABER: wie schon angesprochen, die Gasversorgung konnten wir in all den Jahren gemeinsam mit allen anderen Marktteilnehmern IMMER zum Wohle der Kunden sicherstellen!
P2M: AGGM hat etliche, maßgebliche, Projekte – wie beispielsweise die Südschiene – im Rahmen der LFiP erstellt, diese bei der Behörde durch den Genehmigungsprozess geführt und die Umsetzung derselben begleitet. Wie stellen sich derzeit die Hürden für die Umsetzung größerer Projekte dar – dies insbesondere vor der engen Zeitachse hinsichtlich der angepeilten Klimaneutralität bis 2040?
AGGM: Klimaneutralität innerhalb der nächsten zwei Dekaden zu erreichen, ist ein sehr herausforderndes Ziel. Nicht unmöglich, aber nur bei wirklich zügiger Umsetzung der notwendigen und richtigen Maßnahmen machbar. Die Dekarbonisierung unserer Wirtschaft ist zu einem guten Teil eine der Energiewirtschaft. Dabei ist das gesamte Energiesystem von Grund auf neu zu planen, umzubauen und zu betreiben. Die Lösung liegt jedenfalls in einem gut abgestimmten Mix aller Sektoren und technischer Möglichkeiten.
Die Energiepolitik des letzten Jahrzehntes war oft von der Betonung von Einzelmaßnahmen getrieben, in der Hoffnung bzw. Überzeugung, das „silver bullet“ bereits gefunden zu haben. Die singuläre Patentlösung gibt es aber leider nicht. Der Ausbau der Wind- und Photovoltaikkapazitäten bedingt den Ausbau der Netze, der hinterherhinkt und nun sind als nächstes die Speichertechnologien im Fokus. Diese Fokussierung auf jeweils einzelne Elemente des Energiesystems, ohne das große Ganze im Blick zu behalten ist nicht sehr effizient und wenig effektiv.
Vielmehr gilt es breiter zu denken, vielleicht in kleineren Schritten, aber die Maßnahmen über die Sektoren hinweg besser abgestimmt zu entwickeln. Mit Strom wird derzeit rd. 20 % des Energiebedarfs gedeckt, mit voranschreitender Elektrifizierung – hoffentlich tatsächlich mit erneuerbarem Strom – wird dieser Anteil substanziell steigen. Der im Juni veröffentlichte Zweite Österreichische Sachstandsbericht zum Klimawandel (APCC, 2025), der auf rund 800 Seiten wissenschaftliche Analysen zur Klimawandelfolgen in Österreich liefert, stellt jedoch fest, dass Elektrifizierung „zwar in vielen Anwendungsbereichen die kosteneffizienteste Technologie zur Emissionsreduktion [ist], aber die Szenarien deuten darauf hin, dass im Jahr 2040 immer noch ein Bedarf an CO2-neutralen Flüssigbrennstoffen und Gasen besteht. Deren Anteil liegt zwischen 48–54 % des Bruttoinlandsverbrauchs im Jahr 2040.“ Die Ergebnisse der Energiesystemstudie ONE100 der AGGM werden damit bestätigt. Was muss man daraus ableiten? Die Dekarbonisierung des Stromsystem und Elektrifizierung weiter Lebens- und Wirtschaftsbereiche ist unabdingbar, aber Dekarbonisierungsmaßnahmen müssen weit darüber hinausgehen, um die CO2-Reduktionsziele erreichen zu können.
Mit Maßnahmen, etwa für die Energiewende in der Pipeline, nämlich die Integration von Biomethan und Wasserstoff, stecken wir in Österreich noch in den Startlöchern fest. Projekte, die diesen Prozess ins Laufen bringen können, etwa den Aufbau einer Wasserstoffinfrastruktur, können derzeit nicht starten. Ein Konzept dafür, die H2-Rodmap der AGGM, liegt vor. Nur der regulatorische Rahmen und die Finanzierungsmodelle, die es dafür braucht, sind noch nicht da. Eine Hürde, die nur der Gesetzgeber überwinden kann!
P2M: Ist es aus Ihrer Sicht realistisch, dass noch über einen relativ langen Zeitraum Erdgas als Energieträger (zumindest) in Industriebetrieben zur Anwendung kommen wird und somit in parallel H2- und Erdgasinfrastrukturen in Betrieb sein werden? Falls ja, würde das bedeuten, dass beide Netze in einer Übergangsphase nicht zu 100% ausgelastet sein werden, folglich höhere Netznutzungsentgelte für das jeweilige Netz zu berappen sein würden. Wie könnte man diese Übergangsphase meistern ohne, dass die relevanten Industriebetriebe an Wettbewerbsfähigkeit verlieren?
AGGM: Jedes heute als realistisch zu beschreibendes Energiesystem muss gasförmige Energieträger enthalten. Sie sind in großen Mengen speicherbar und sie können sowohl kurzfristige als auch saisonale Lastunterschiede gut ausgleichen. In einer klimaneutralen Welt müssen diese daher auch erneuerbar sein. Biomethan wird wohl auf absehbare Zeit einen gewissen Kostenvorteil gegenüber Wasserstoff haben und wird – auch weil wir in Österreich ein durchaus nennenswertes Potential dafür haben – seinen Platz in der Energielandschaft haben. Damit benötigen wir auch ein entsprechendes Methantransportsystem. Wohl kleiner als das heutige, aber um den verbleibenden Methanabsatz – auch parallel zum Wasserstoffbedarf - abdecken zu können und auch, um regional produziertes Biomethan einzusammeln, wird es auch künftig ein leistungsstarkes Gasnetz brauchen.
Und natürlich wird es ein Fern- und Verteilsystem für Wasserstoff geben. Abgestimmt auf die nationalen, wie internationalen Bedürfnisse. Wie so ein System für Wasserstoff aussehen könnte, haben wir in unserer H2-Roadmap skizziert. Das Wasserstoffnetz besteht nach diesem Konzept überwiegend aus für den Wasserstofftransport umgewidmeten Gasleitungen (rd. 1.400 km) und nur zu einem kleineren Teil aus neu gebauten Leitungen. Dieses Konzept antizipiert also einen Rückgang des Methanbedarfs. Noch ein Hinweis muss gegeben werden: eine 100% Auslastung wäre wohl wirtschaftlich ein Optimum, allerdings aus Versorgungssicherheitsüberlegungen nicht sinnvoll. Klar ist aber auch, dass die Auslastung eines im Aufbau befindlichen Wasserstoffnetzes anfangs nicht kostendeckend wäre. Daher müssen, langfristige und verlässliche Finanzierungsmodelle für diesen Hochlauf konzipiert werden.
P2M: Sie haben sich auch im anvisierten Hochlauf einer Wasserstoffwirtschaft in Österreich sehr frühzeitig engagiert und viele wertvolle Unterlagen erstellt. Mangels gesetzlicher Grundlage ist es aus der Perspektive der Regulierungsbehörde schwierig die in der LFiP beschriebenen H2-Projekte zu genehmigen. Was wäre aus ihrer Sicht hilfreich um die von ihnen aber auch von der E-Control bereits erbrachten Vorleistungen „auf den Boden zu bringen“?
AGGM: Wie bereits erwähnt, mit den Planungen der notwendigen Wasserstoffinfrastruktur, die wir auf Basis von umfassenden Bedarfserhebungen sektorübergreifend vorangetrieben haben, sind wir schon sehr weit. Die rasche nationale Umsetzung des EU-Gas- und Wasserstoffpakets, das im Juni 24 auf europäischer Ebene beschlossen wurde, ist eine Voraussetzung, dass wir loslegen können.
P2M: Die Umsetzung der Richtlinie (EU) 2024/1788 (Gemeinsame Vorschriften für die Binnenmärkte für erneuerbares Gas, Erdgas und Wasserstoff), ins nationale Recht wird dieses Jahr nicht mehr zu schaffen sein. Wie könnten die maßgeblichen Player trotzdem sinnvolle Vorarbeiten – mit Fokus auf die H2-Wirtschaft – erbringen, um nicht zu viel Zeit auf dem Pfad des intendierten H2-Hochlaufs zu verlieren?
AGGM: Allen voran kann die Zeit benutzt werden, um mehr Sachkenntnis und Verständnis für die Notwendigkeiten eines komplexen Energiesystems bei den Entscheidungsträgern zu schaffen. Weiters können die (technischen) Regelwerke für die Wasserstoffwirtschaft weiterentwickelt werden. Auch wäre es uE sinnvoll, Grundsätze der Tarifierungslogik sowie der Marktregeln zu diskutieren. Und es können die technischen Planungen bei den Netzbetreibern weitergetrieben werden, wobei jedoch dabei ein Risiko entsteht, dass – sollte die Wasserstoff-Wirtschaft nicht kommen – der Netzbetreiber auf diesen entstandenen Kosten „sitzenbleiben“ könnten.
P2M: AGGM hat vor kurzem auf Linkedin sinngemäß gemeint „Reguliert uns endlich“. Im Hinblick auf die Regulierung der erwarteten H2-Wirtschaft stellt sich die Frage der Regulierungstiefe – also „light touch regulation“ versus „heavy-handed regulation“ – insbesondere in der Anlaufphase zu einem H2-Markt. Wie sehen Ihre diesbezüglichen Vorstellungen/Forderungen aus?
AGGM: Wir denken, dass im Rahmen des Gas-Wasserstoff-Gesetzes - GWG, das finale Zielsystem möglichst gut beschrieben werden soll, damit es zu keinen Fehlentwicklungen kommt, die stranded cost bewirken. Die Regulierungsbehörde soll aber den Ermessensspielraum haben, in der Zeit, bis es zu einem grenzüberschreitenden H2-Markt kommt, alle sinnvollen Vereinfachungen über den Weg einer Verordnung zu gestalten. Der Weg mittels eines zentralen „One-Stop-Shop“, also eines Systemoperators, der alle notwendigen Aktivitäten koordiniert (so wie dies die Regulierungsbehörde vorschlägt), erscheint hier als durchaus gangbares Modell.
P2M: Der anfängliche Wasserstoff(H2)hype wird zwischenzeitlich bereits mit zu viel Skepsis belegt – so unser Eindruck. Unternehmen wie BP, Equinor, Shell, Örsted, Statkraft etc. legen ihre H2-Projekte großteils aufs Eis und Arcelor Mittal hat erklärt, dass sich die Stahlproduktion mit Hilfen von grünem H2 in Deutschland einfach nicht wirtschaftlich darstellen lässt. Irgendwie hat man den Eindruck, dass bei H2 derzeit „wenig geht“. Wie könnte man auf den richtigen Weg zurückkommen – dies auch vor dem Hintergrund, dass es in Sektoren - wie beispielsweise Raffinerien - offensichtlich keine Alternative zu H2 gibt?
AGGM: Unser Energiesystem, dass in den letzten 25 Jahren entwickelt und umgesetzt wurde, ist im Kern marktwirtschaftlich organisiert. In der Konsequenz bedeutet dies, dass über Angebot und Nachfrage von Energie sich der Preis für das Produkt einstellt. Jede „gesteuerte“ Veränderung hin zu einem bestimmten Energieträger oder -form bedarf lenkender Eingriffe – diese können Sanktionierungen für ungewolltes Verhalten oder Bonifikationen (Förderungen) für gewolltes Verhalten sein. Die Politik muss hier möglichst konsistent entlang der Wertschöpfungskette agieren – und auf den langfristigen Bestand solcher Regelungen muss man vertrauen können. Die Veränderungen werden nur gelingen, wenn es gelingt, dieses Vertrauen zu schaffen. Grundsätzliches Problem dabei: ein Systemumbau dauert Jahrzehnte, eine Legislaturperiode nur 4 oder 5 Jahre! Welchen Anreiz hat die aktuelle Politik, schwierige oder auch unpopuläre Entscheidungen jetzt zu treffen, deren Vorteilhaftigkeit sich erst in 10 oder 20 Jahren einstellt?
P2M: Wäre angesichts der Entwicklungen im:
• H2-Sektor (siehe vorige Frage)
• CC(U)S -Bereich (Carbon Management Strategie und Net Zero Industry Act);
• Elektrizitätssektor (in Asien/China werden zwischenzeitlich Elektrifizierungstiefen von fast 30% erreicht werden während Europa bei etwas mehr als 20% liegt – folglich in Europa dieser Elektrifizierungsgrad auch angestrebt werden sollte);
• „Raus aus Erdgas“-Prozess (die Herangehensweise stellt sich viel komplexer dar als ursprünglich angenommen);
• Verteidigungsetat (hohe Geldsummen werden für die Verteidigung Europas/Österreich beansprucht somit diese für den Klimaschutz fehlen könnten)
sinnvoll den Pfad zur Erreichung der Klimaneutralität bis 2040 zu adaptieren?
AGGM: Das dogmatische Festhalten an Terminen erscheint problematisch, das prinzipielle Festhalten an den Zielen ist aber essenziell! Für eine glaubhafte Umsetzung der Ziele ist ein abgestimmtes Vorgehensmodell für alle Elemente der Wertschöpfungskette notwendig.
Zentral ist aber: Infrastruktur-Entscheidungen müssen VORWEG getroffen werden. Das Auslastungsrisiko für diese Infrastruktur kann nicht auf privatwirtschaftlicher Basis gestemmt werden, dafür müssen intelligente Finanzierungsmodelle konzipiert werden.
Und wir müssen den vielzitierten ersten Schritten wagen, ohne lähmenden Perfektionsanspruch und einer gesunden Portion Pragmatismus. Auch wenn wir heute noch nicht das Gesamtsystem bis ins letzte Detail vordefinieren können, so müssen wir – möglichst mit allen klimaneutralen Technologien – konsequent vorwärts gehen. Mit Entschlossenheit und Mut!
P2M: Angesichts der riesigen Fortschritte bei großen Batteriespeichern stellt sich die Frage ob die Speicherleistungen anderer Energieträger – also Erdgas, H2, (Pump)Speicher eventuell Wärmespeicher – davon betroffen sein werden. Wäre es ihrer Meinung nach sinnvoll eine Art von übergreifender „Gesamtspeicherstudie“ zu erstellen?´
AGGM: Jedes vollständige Energiemodell muss die Herausforderung der Energiespeicher und hier insbesondere die saisonale Verschiebung von enormen Energiemengen lösen.
Auch wenn es sehr große Fortschritte bei der Batterie gibt und wohl auch noch geben wird, so ist die zeitliche Verlagerung dieser Energiemengen – mit dem heutigen Wissen bzw. Erwartungen - nur mit gasförmigen Energieträgern vorstellbar.
AGGM hat im Rahmen der Studie „ONE100“ eine gesamthafte Modellierung und Optimierung des österreichischen Energiesystem erarbeitet. Wie auch der Sachstandsbericht zum Klimawandel zeigt diese Studie, dass ein resilientes dekarbonisiertes Energiesystem auch gasförmige Energieträger braucht.
P2M: AGGM hat hinsichtlich CC(U)S wichtige Vorarbeiten im Bereich einer zukünftigen CO2-Infrastruktur geleistet. Diese Analysen und Resultate haben eine positive Resonanz hervorgerufen. Wie kann man verhindern, dass ähnliche Verzögerungen wie im H2-Hochlauf auftreten? Könnte es passieren, dass – bedingt durch die Österreichische Carbon Management Strategie (CMS) – sich H2 und die beabsichtigte CO2-Abscheide- und -Speichermöglichkeit gegenseitig im Wege stehen – quasi um Nutzer der jeweiligen Netzinfrastruktur konkurrieren könnten?
AGGM: Lassen sie uns zuerst auf die Frage der – vermeintlichen – Konkurrenz zwischen Wasserstoff und CCS eingehen. Wir sehen hier nicht ein „entweder-oder“, sondern ein „sowohl-als auch“! Es gibt Industrien bei denen CO2 im Rahmen des Prozesses entsteht und nicht aus dem Brennstoff (z.B. Zement, Eisen, Müllverbrennung). Um diese Anwendungen CO2-neutral zu machen, MUSS das CO2 eingefangen und behandelt werden. Entweder es wird nochmals in den Kreislauf geschickt oder unter die Erde verpresst (hier wird das CO2 dauerhaft aus der Atmosphäre genommen!).
Zum zweiten Teil der Frage: hier gilt gleiches wie bei Wasserstoff – mit Entschlossenheit und Mut! Anders als bei Wasserstoff muss beim Carbon Management mittels neuer Technologie, neuer Leitungen und Systemteilnehmer eine Lösung von Null weg gebaut werden. Diese Infrastruktur wäre wohl am ehesten mit Autobahnen zu vergleichen und die Errichtung und der Betrieb des CO2-Pipeline-Systems sollte wohl ähnlich organisiert werden.
ABER: Alles hängt am Ziel der Dekarbonisierung – wir können es schaffen, wenn wir entschlossen und mutig den Weg gehen!
P2M: Ich bedanke mich nochmals für das Interview und für Ihre dafür aufgewendete kostbare Zeit.