Interview mit Markus Mitteregger, CEO der der RAG Austria AG. Mitteregger ist seit 2003 Vorstand der RAG Austria AG und seit 2008 CEO und Sprecher des Vorstandes.

power2market: Sehr geehrter Herr Mitteregger, vorab vielen Dank, dass Sie und Ihr Team sich die Zeit für dieses Interview nehmen und damit der interessierten Leserschaft mehr Einblicke in die spannenden Tätigkeiten der RAG Austria AG (RAG) – die Sie als CEO führen - geben.
Im Hinblick auf die Klima- und Umweltziele in Europa und Österreich, Stichwort Klimaneutralität 2040 ist die Energiebranche einem enormen Wandel unterworfen. Die RAG beschäftigte sich die letzten Jahrzehnte mit der Entwicklung und dem Betrieb von Energiespeichern und nimmt im EU-weiten Speichergeschäft eine bedeutende Rolle ein. Seit einem Jahrzehnt betreibt die RAG intensiv Forschung hinsichtlich Wasserstoffspeicher in ausgeförderten Porenlagerstätten. Wie geht die RAG mit der Transformation im Energiesektor um?
Markus Mitteregger: Die Herausforderungen sind enorm und nur gemeinsam sektorenübergreifend zu stemmen. Sektorenübergreifend heißt für mich Strom – Gas – Wärme/Strom. Erneuerbare Stromproduktion allein wird den enormen Energiebedarf nicht decken können und ist vor allem nicht versorgungssicher. Es bedarf des Zusammenspiels entlang der gesamten Wertschöpfungskette, um weiterhin Energie-Versorgungssicherheit gewährleisten zu können. Generell können nur gasförmige, flüssige oder feste Energieträger in großen Dimensionen Energie speichern, damit auch beispielsweise im Winter eine genügende Menge und Leistung genau dann zur Verfügung steht, wenn sie auch gebraucht wird. Strom an sich ist nicht speicherbar!
Um diesen Herausforderungen einer durchgängigen und leistbaren Versorgung wirksam zu begegnen ist daher ein gemeinsames Handeln der wichtigsten Akteure aus den Bereichen Strom, Wärme, Industrie und Verkehr genauso wie der Politik und Interessenvertretungen sowie der Endverbraucher erforderlich. Unsere künftige Energielandschaft muss versorgungssicher, technologieoffen, klimafreundlich und vernetzt sein.
Speichergeschäft bedeutet Flexibilität und die haben wir bereits mehrmals in der Geschichte der RAG unter Beweis gestellt. Bereit zu sein, wenn Energie gebraucht wird im Winter, bei Krisen oder beispielsweise auch bei Preisspitzen und umgekehrt bei massivem Überangebot an Energie auch bereit zu sein diese jederzeit und in großen Mengen zu speichern. Getragen wird unser Erfolg neben der hohen technologischen Innovationskraft vor allem auch von der großen Flexibilität von verlässlichen und ambitionierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die den Fokus auf Dienstleistung, für unsere Kunden jetzt und in der Zukunft legen.
Und genau für diese Dienstleistungen in der Zukunft haben wir bereits vor über 10 Jahren unsere Forschungsaktivitäten zur Wasserstoffspeicherung gestartet. Wasserstoff gilt als Energieträger der Zukunft und damit kann Strom „haltbar“ gemacht werden. Wie wir dies am besten umsetzen können, haben wir uns bei unseren Projekten wie Underground Sun Storage erarbeitet. Wir haben zudem unsere Partnerschaften mit renommierten Akteuren aus der universitären Forschung und Wirtschaft ausgebaut, um Synergien zu schaffen und gemeinsam Lösungen zu entwickeln und reale Projekte voranzutreiben.
Die Erdgasspeicher wurden 2024/2025 im Vergleich zu den vorangegangenen Winterperioden stärker beansprucht. Sie müssen nun im Sommer 2025 wieder befüllt werden. Welche Auswirkungen erwarten Sie in Bezug auf die Preisentwicklung? Wie sieht die RAG das Ansuchen Deutschlands um eine (teilweisen) Befreiung von der Erreichung des verpflichteten Speicherfüllgrades?
MM: Die Entwicklungen haben gezeigt welchen wichtigen Beitrag die Gasspeicher für die Versorgungssicherheit, die Stabilität der Netze und Preise leisten. Preise sind dadurch stabiler und damit für die Verbraucher berechenbarer.
Uns ist bewusst, dass Energieversorgungssicherheit Geld kostet, aber im Vergleich zu jenen Kosten, die entstehen, wenn Unsicherheit den Markt bestimmt, wie etwa ob Energie vielleicht nicht zur Verfügung steht, sind diese Speicherkosten als untergeordnet einzustufen. Dies gilt sowohl volkswirtschaftlich als auch betriebswirtschaftlich. Insbesondere an kalten - und Windstrom-armen Wintertagen und an den entstehenden Nachfragespitzen ist es wichtig einen Energieträger auf Lager zu haben, der diese Nachfrage auch in dieser kurzen Zeit mit der gefragten Leistung bedienen kann. Unsere Kunden sind gefordert die zur Befüllung der Speicher notwendigen Energiemengen physisch auch vor Ort in die Speicher zu bringen, damit eine zeitgerechte und kosteneffiziente Befüllung der Speicher im Sommer 2025 gelingt. Wir unterstützen Sie dabei, dass wir Wartungszeiten geringhalten und Verfügbarkeit der Speicher in einem Höchstmaß auch in der Einspeicherperiode gewährleistet ist. Betreffend Befüllungsgrad ist aus unserer Sicht nur soviel zu sagen, dass derzeit auf europäischer Ebene Verhandlungen diesbezüglich geführt werden. Wie es die letzte Ausspeicherperiode 2024/2025 gezeigt hat, wirken die RAG Speicher sowohl in Österreich, nach Deutschland und auch weit darüber hinaus – nach Italien, Slowakei bis in die Ukraine. Wichtig für Österreich war und ist die strategische Gasreserve die sich als solider preisdämpfender Sockel bewährt hat und quasi auch als „energetische Landesverteidigung“ für Wärme-, Strom und Gasversorgung gesehen werden kann. Eine Nichtverlängerung über das Jahr 2027 hinaus wäre aus unserer Sicht als fahrlässig einzustufen.
Die Abkehr von fossilen Energieträgern wie klassisches Erdgas und der gleichzeitige Hochlauf der Wasserstoffwirtschaft erfordern einen Parallelbetrieb der Erdgas- und Wasserstoffinfrastrukturen. Wie geht die RAG diese komplexen Aufgaben an, um einerseits die Erdgasversorgungssicherheit – soweit in Ihren Möglichkeiten stehend – zu gewährleisten andererseits aber den Wasserstoffhochlauf voranzutreiben?
MM: Wir sind überzeugt, dass Erdgas noch einige Jahrzehnte eine wesentliche Rolle im Energiemix spielen wird. Daher arbeiten wir auch an der Nutzung von Methan ohne CO2-Emissionen. Stichwort Methanspaltung: Bei diesem Verfahren wird das Molekül CH4 gespalten – einerseits in den sogenannten türkisenen Wasserstoff und in reinen Kohlenstoff, der ein wertvoller Bodenhilfsstoff in der Landwirtschaft ist.
Bis es zu einem Aufbau der Wasserstoffproduktion in Ländern von Nordafrika oder West-Ukraine kommt und dann eine sichere Wasserstoffimportroute entstanden ist, setzen wir auf lokale Produktion, Speicherung und Nutzung des Wasserstoffs. So wie vor rund 60 Jahren als sich mit der Nutzung von heimischem Erdgas ein Netz zwischen Produktion und Verbrauchern gebildet hat, so auch wird der schrittweise Aufbau des Wasserstoffnetzes von statten gehen. In sogenannten Clustern und mit einer Nutzung spezifisch gegebener Möglichkeiten des Erdgasnetzes.
Im Projekt EUH2STARS, das bereits an der realen Umsetzung einer Wasserstoffwirtschaft im Großraum Linz arbeitet, sind bereits 2 Machbarkeitsstudien umfasst: eine für die Errichtung eines neuen Wasserstoffspeichers und eine für den Umbau eines bestehenden Erdgasspeichers auf Wasserstoff. Um jedoch jenen Speicherbedarf in Bezug auf die Energiemenge zu gewährleisten, werden rasch weitere Skalierungsschritte zu setzen sein. Dies ist derzeit im Gange und es ist realistisch bereits beginnend 2026 die ersten Dienstleistungen für die Sommerstromspeicherung in Form von grünem Wasserstoff und Einspeisung in das Gasnetz unseren Kunden anbieten zu können und darauffolgend weitere Projekte bei Bedarf umzusetzen. Der Speicherbedarf wird in den kommenden Jahrzehnten durch den Import von Wasserstoff weiter steigen, da diese Importe diskontinuierlich zu erwarten sind und der Verbrauch ebenfalls schwankend sein wird. Wir sind zuversichtlich den dann benötigten Wasserstoffspeicherbedarf bewerkstelligen zu können.
Wesentlich für das Gelingen dieser Vorhaben sind die regulatorischen Rahmenbedingungen, unter denen wir diese Dienstleistung anbieten werden. Die Zusammenarbeit mit den politischen Entscheidungsträgern und anderen Branchenakteuren ist enorm wichtig, da der Übergang zu Wasserstoff nicht nur eine technische, sondern vor allem eine politische und wirtschaftliche Herausforderung ist. Hier sind umsetzbare und klare Rahmenbedingungen zu setzen, um den Hochlauf der Wasserstoffwirtschaft zu beschleunigen. Ein lebbares Förderregime und die standortfördernde Zusammenarbeit aller Akteure ist Grundvoraussetzung.
Angesichts der in der nahen Zukunft noch hohen Wasserstoffgestehungs-/-Transport-/-Speicherkosten stellt sich die Frage ob die Wasserstoffwirtschaft sich zuerst von der lokalen über die regionale und nationale zur Internationalen Ebene entwickeln wird oder ob gleich sehr große Projekte – Stichwort beispielsweise HydrogenBackbone – eher erfolgsversprechend für den Wasserstoffhochlauf sein werden? Wie sieht die diesbezügliche Sicht/Strategie der RAG aus?
MM: Die Herausforderung im Hochlauf der Wasserstoffwirtschaft liegt darin, dass alle Ebenen der Wertschöpfungskette gleichzeitig vorangetrieben werden müssen. Eine internationale Infrastruktur kann erst bei entsprechenden Produktionsmengen effizient betrieben werden. Lokale Verbraucher sind aber auf eine kontinuierliche Lieferung angewiesen und brauchen dazu auch Speicher. Daher macht es Sinn so lange die internationalen Importrouten noch nicht die gewünschten Importmengen liefern zuerst lokale und regionale Netze aufzubauen oder umzurüsten und so die Anwendung von Wasserstoff zu ermöglichen. Das tun wir bereits im Bereich des Startnetzes „Oberösterreich Mitte“ und sehen großes Umsetzungspotenzial im oberösterreichischen Industriegebiet. Dazu kommt, dass bei der Umstellung von Erdgasnutzung auf Wasserstoffnutzung speziell in der Industrie schrittweise vorgegangen werden muss, da viele Prozesse zuerst auf Wasserstoff getestet und dann umgebaut werden müssen.
Nach dem erfolgreichen Betrieb des Wasserstoffspeichers Pilsbach und Rubensdorf in den letzten Jahren ist RAG bereit für die weiteren Skalierungsschritte. Dazu bedarf es Kooperationen und Partner, um die Kosten leistbar zu halten. Dabei sieht vor allem die Stromproduktion, die sich an vielen Tagen im Jahr einer Überproduktion gegenübersieht, den Bedarf an der Dienstleistung der saisonalen Speicherung, um den weiteren Ausbau der erneuerbaren Stromproduktion auch wirtschaftlich darzustellen. Batteriespeicher und auch Pumpspeicher können diese Strommengen nicht fassen und auch nicht so lange auf Lager verfügbar halten, wie sie für längere „Dunkelflauten“ benötigt werden.
Eine seriöse Aussage zu den Kosten der Errichtung samt Betrieb eines Untertage Wasserstoffspeichers (UHS) kann nur auf Basis der konkreten Anforderungen des Kundenleistungsprofils und folglich eines konkreten Projektes unter Berücksichtigung aller lagerstättenspezifischen Parameter erfolgen. Auf Basis einer fiktiven, mitteltiefen Lagerstätte mit einem geplanten Arbeitsgasvolumen von ca. 100 Mio. Nm³, einem vergleichbaren Kissengasvolumen, den notwendigen Bohrungen und eines Standard-Kundenleistungsprofils (in der Leistung vergleichbar zu derzeitig am Markt buchbaren Erdgasspeichern) kalkulieren wir derzeit mit einer Bandbreite für Investitionen, also CAPEX, von zumindest 600 - 700 €/MWh (inkl. Kissengas).
Auf Basis einer (in etwa) vergleichbaren Kompressibilität von Erdgas und Wasserstoff und des unterschiedlichen Energiegehaltes von jeweils 1 m³ (rd. 11 kWh für Erdgas vs. 3,54 kWh für Wasserstoff) ergibt sich allein daraus bereits ein ca. 3-faches Entgelt, um den gleichen Energiegehalt speichern zu können. Unter Berücksichtigung weiterer wasserstoffspezifischer Faktoren ergibt sich aus unserer Sicht derzeit ein Speicherentgelt auf einem Niveau von zumindest 30 bis 40 €/MWh/Jahr, um UHS in einem Verbund mit weiteren UHS (mit Redundanzen aus anderen Speichern und bei annähernder Vollvermarktung) wirtschaftlich errichten und betreiben zu können. Singulär betrieben wäre ein UHS ansonsten teurer.
Hier ist jedenfalls auch zu erwähnen, dass aus unserer Sicht nur etwa 20-25% der verbrauchten Wasserstoffmenge in einem Wasserstoffmarkt gespeichert werden und somit ergeben sich etwa Speicherkosten im Bereich von 20 ct/kg Wasserstoff. Ich denke, dass diese Größenordnung von Kosten für eine derartige Versicherungsdienstleistung wirtschaftsverträglich erscheint.
Langfristiges Ziel ist es die Wasserstoffwirtschaft überregional zu vernetzen und die günstigere Stromproduktion in andere Weltregionen zu nutzen. Das „Hydrogen Backbone“ bildet den Aufbau einer internationalen Infrastruktur. Ein gut entwickeltes, länderübergreifendes Wasserstoffnetzwerk ist unerlässlich, um die Versorgung mit Wasserstoff über Grenzen hinweg zu gewährleisten, den Handel mit Wasserstoff zu fördern und mit dem europäischen sowie globalen Markt zu integrieren. Österreich als Binnenland hat hier besondere Bedürfnisse an so ein „Hydrogen Backbone“ angeschlossen zu sein. Dazu muss man die örtlichen Gegebenheiten (Transitland und Speichermöglichkeiten) bestmöglich nutzen, um den Nachteil keinen Meereszugang zu haben, zu kompensieren. Kurze Transportwege des Wasserstoffs spielen hier eine entscheidende Rolle und die Nutzung großvolumiger Wasserstoffspeicher im Land sollten hier eine deutliche Linderung bringen.
Welche gesetzlichen Rahmenbedingungen sind für die Errichtung und den Betrieb von kommerziell nutzbaren Wasserstoffspeichern notwendig und wie schnell könnten sich diesbezügliche europäische Normen entwickeln und implementieren?
MM: Zunächst ist es wichtig, dass Regelungen und Normen einen Markthochlauf nicht behindern oder sogar verunmöglichen dürfen. Regulierung per se schafft keinen Markt. Beispielsweise sieht die EU-Richtlinie 2024/1788 im Gaswirtschaftsgesetz vor, dass ein verhandelter Speicherzugang möglich ist, mit einer Übergangszeit bis 2033 – danach regulierter Speicherzugang. Einen nicht existierenden Markt mit einer derartigen Regelung an dessen Hochlauf zu behindern ist jedenfalls kritisch, da in so einem Umfeld Investitionen kaum getätigt werden würde. Um einen Hochlauf zu ermöglichen, muss einerseits diese Übergangsfrist in Österreich jedenfalls für einen verhandelten Speicherzugang genutzt werden und die Frist 2033 bzw. die Sinnhaftigkeit muss auf europäischer Ebene jedenfalls hinterfragt werden, da auch sachlich dieses Datum nicht erklärbar ist, zumal ein derartiges Datum für H2-Importterminals im Vergleich nicht existiert.
Die Untergrund Wasserstoffspeicherung ist derzeit nur als Nebenrecht für Bergbauberechtigte als „Lagerung von H2“ möglich. Hier sollte eine Änderung im MinRoG dahingehend erfolgen, dass H2 als Rohstoff im MinRoG gesehen wird und somit ein gangbares Genehmigungsregime für H2 entsteht.
Vergangenes Jahr konnte im Projekt „H2 cross border“, ein Teilprojekt des „H2EU+Store“, ein erster wertvoller Schritt umgesetzt werden. Es ist den Projektpartnern gelungen, eine erste Wasserstofflieferung aus Österreich nach Deutschland unter den derzeit vorliegenden Rahmenbedingungen und Regeln umzusetzen.
Der von TÜV Süd zertifizierte grüne Wasserstoff konnte in das bestehende Erdgasnetz in Österreich beigemischt und in Burghausen an das Transportnetz der bayernets übergeben werden. Mit der Unterstützung der deutschen Projektpartner sind die ersten Wasserstoffmengen bereits im September 2024 an den Kunden in Bayern übermittelt worden. Damit wurde der erste Wasserstofftransport grenzüberschreitend und pipelinegebunden von Österreich nach Deutschland realisiert.
Mit der Umsetzung einer Herkunftsnachweisdatenbank ist es gelungen, die ersten Herkunftsnachweise für Wasserstoff in Österreich auszustellen. Da es in Deutschland bislang an einer kompatiblen Datenbank fehlt - die Implementierung und der Betrieb des Gas-Herkunftsnachweisregisters sind für 2026 geplant - ist der grenzüberschreitende Transfer von Herkunftsnachweisen derzeit noch nicht möglich. Dadurch zeigt dieses Projekt bestimmten Handlungsbedarf für den überregionalen Handel auf.
Ich bedanke mich nochmals für das Interview und für Ihre dafür aufgewendete kostbare Zeit.