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A tutto gas
Waren die Erwartungen der Erdgashändler gestern zu optimistisch?

Zu schnelle Vorfreude auf einen baldigen Frieden in der Ukraine?

by Alfred Schuch
8/19/2025

Der Gaspreis (Front month) notierte gestern am TTF (Title Transfer Facility) auf einem 2025-Tief von € 30,4/MWh (zeitlicher Verlauf siehe eingefügte Grafik). Heute drehten die Preise wieder. Anscheinend werteten die Erdgashändler das gestrige Treffen zwischen Präsident Trump, Präsident Selensky sowie Vertreter der europäischen Verbündeten der Ukraine, im Vorhinein als zu chancenreich hinsichtlich Fortschritte am Weg zur Beendigung des russischen Angriffskrieges und den daraus möglichen Auswirkungen auf den Erdgaspreis.

In anderen Worten, die Annahme, dass russische Erdgaslieferungen wieder vermehrt den Weg in die EU finden würden, wurde augenscheinlich überschätzt   – zumal die Erhöhung dieser Importe relativ schnell hätte geschehen müssen.  

Wie stellten und stellen sich die technischen, wirtschaftlichen und politischen Rahmenbedingungen, die zu dieser gestrigen Abwärtsbewegung der Erdgaspreise führten, dar?

Die EU verfolgt ein Phasing out aus den Importen von Erdgas aus der Russischen Föderation mit Ende 2027 – somit würde eine erhöhte Einfuhr – zumindest Großteils - eine Abkehr von diesen EU-Zielen bedeuten.

Aus der technischen Perspektive scheint eine schnelle Wiederaufnahme des Erdgastransits durch die Ukraine eher unwahrscheinlich zu sein - selbst wenn die Ukraine so einer Vereinbarung zustimmen würde/müsste - da zuerst das Transitrohrleitungssystem in der Ukraine wahrscheinlich überholt und teilweise repariert werden müsste.

Die beiden Rohrleitungen der Nordstream 1 sowie ein Strang der Nordstream 2 sind stark beschädigt. Eine Reparatur dieser Pipelines würde hohe Reparaturkosten nach sich ziehen und viele Monate in Anspruch nehmen. Selbst wenn die Reparatur sich wirtschaftlich darstellen lassen würde – wovon auszugehen ist – wären umfangreiche Planungsarbeiten, die Bestellung von Long lead time items und die Disposition von Rohrverlegeschiffen – welche üblicherweise auf sehr lange Zeiträume hinaus verplant sind – erforderlich.
Da die Inbetriebnahme der Nordstream 2 noch nicht genehmigt wurde und dies ein langwieriger Prozess sein würde (Widerstände gegen die Inbetriebnahme wären von vielen Seiten zu erwarten) könnte auch der nicht beschädigte Strang der Nordstream 2 kurzfristig nicht in Betrieb genommen werden  

Wenn man davon ausgeht, dass sich die bestehende und geplante Erdgas-Versorgungsstruktur der EU nicht schnell ändern wird, dann müssten die am Weltmarkt angebotenen LNG-Erdgasmengen aus Russland (die Pipelinekapazitäten – beispielsweise Power of Siberia 2 - sind kurzfristig nicht steigerbar) – im Vergleich zu jetzt – steigen, um die LNG-Preise nach unten drücken zu können. Dies wäre dann möglich, wenn Russland in die Lage versetzt werden würde, den Ausbau der Liquefaction-Kapazitäten nördlich des Polarkreises schnell steigern zu können – inklusive "Freie Fahrt" für die sanktionierten LNG-Tanker.

Ob solche Signale aus dem Alaska-Meeting abgeleitet werden konnten bleibt fragwürdig.  War hier eher der Wunsch der Vater des Gedankens?