Bei der Errichtung von Energieanlagen ist Kommunikation mit der Öffentlichkeit ein wichtiger Faktor geworden. Eva Michlits, Expertin für strategische Kommunikation beim Beratungsunternehmen clavis, gab power2market ein Interview zu diesem aktuellen Thema.
Die Zeiten, in denen große Energie-Anlagen und Infrastrukturprojekte nahezu widerstandslos errichtet werden konnten, sind lange vorbei. Auch die positive Konnotation umweltfreundlicher Energiequellen wie Windkraft und Solarenergie ist nicht mehr unbestritten. Ein Zuwachs an verfügbarer Information, gepaart mit einem ausgeprägten Hang zu NIMBY-Reflexen, hat die Bevölkerung sensibel gemacht. Teilweise wird der „Kampf gegen Windmühlen“ gar zur politischen Mission.
In diesem komplexen Umfeld ist bei der Planung von großen Energieanlagen von Seiten der Projektbetreiber, neben technischen und genehmigungsrechtlichen Themen, auch zunehmend die Kommunikation und Information in Richtung der Öffentlichkeit ein wesentlicher Faktor für den Erfolg eines Vorhabens.
Wir sprechen mit Eva Michlits von der Kommunikationsberatung clavis, die als Expertin für strategische Kommunikation spezialisiert ist auf Projektkommunikation und Beteiligungsprozesse bei der Errichtung von großen Energie-Anlagen.
power2market: Eva Michlits, vielen Dank für die Zeit, die Sie für dieses Gespräch gefunden haben. Ab wann sollte aus Ihrer Sicht die Kommunikation eines Energieprojekts beginnen und gibt es Risiken bei einem späten Start?
Eva Michlits: Jedes Thema hat eine Karriere der Aufmerksamkeit. Wir als Kommunikator:innen treten schon früh mit den Stakeholdern in Kontakt. So haben wir die Chance, den Mehrwert eines Projektes zu vermitteln. Die Diskussion läuft dann oft weniger laut, emotional und konfrontativ ab. Wenn wir zu spät in den Dialog gehen und sich die meisten Menschen ihre Meinung bereits gebildet haben – oft auf Basis sehr unterschiedlicher Informationsquellen –, können wir daran nur noch wenig ändern. Dann verlieren wir den Gestaltungsspielraum in der öffentlichen Wahrnehmung.
p2m: Um welche Art von Anlagen geht es bei ihrer Arbeit in der Regel?
EM: Im Energiebereich hauptsächlich um Windkraftanlagen und Netzinfrastrukturprojekte. Wir haben aber auch Erfahrung mit Wasserkraftprojekten, großen PV-Anlagen und Biowärme.
p2m: Welches sind die häufigsten Ängste, Vorbehalte und Kritikpunkte gegen die Errichtung von Energieerzeugungsanlagen?
EM: Veränderungen sind für viele Menschen grundsätzlich nicht leicht – besonders dann, wenn sie sichtbar oder spürbar in die gewohnte Umgebung eingreifen. Bei Energieprojekten begegnen uns daher häufig Ängste und Vorbehalte, die sehr menschlich und nachvollziehbar sind. Ein wiederkehrendes Thema sind gesundheitliche Bedenken, etwa im Zusammenhang mit Infraschall. Dabei ist Infraschall ein ganz normaler Bestandteil unseres Alltags, etwa durch Waschmaschinen, Autos oder Wärmepumpen. Ein weiterer Punkt betrifft das Landschaftsbild: Windräder, Stromleitungen oder Kraftwerksanlagen verändern die gewohnte An- und Aussicht und werden daher oft emotional diskutiert. Interessant ist aber, wie schnell sich Maßstäbe verschieben: Sobald eine Leitung in der Nähe des eigenen Hauses geplant ist, kommen Vorschläge wie die Trassenführung durch ein Natura-2000-Gebiet oder die Verlegung in einen Fluss. Der Naturschutz ist dann oft kein Thema mehr.
Unser Ziel ist es, alle Sorgen ernst zu nehmen, transparent zu informieren und zu zeigen, warum wir solche Anlagen für eine sichere und klimafreundliche Energiezukunft brauchen.
p2m: Handelt es sich um klassische NIMBY-Verhaltensweisen oder gibt es übergeordnete Sorgen und Motive?
EM: Natürlich begegnen wir bei Energieprojekten immer wieder klassischen NIMBY-Reaktionen, also der Haltung: „Ich bin eigentlich für Windkraft, aber bitte nicht hier, bei uns ist es so schön.“ Ich versuche, das zu verstehen. Aber ich lebe selbst im Nordburgenland – und auch dort ist es wunderschön, trotz der vielen Windräder. Oder besser gerade mit ihnen, weil sie zeigen, dass die Energiewende funktionieren kann.
Gleichzeitig wissen wir: Hinter solchen Einwänden stecken oft vielschichtige Motive. Viele Menschen äußern ihre Bedenken nicht aus grundsätzlicher Ablehnung, sondern aus Sorge um ihre Lebensqualität, ihre Gesundheit oder um die Natur in ihrer Umgebung. Auf der anderen Seite erleben wir auch, dass Argumente aus Naturschutz oder Ornithologie mitunter strategisch eingesetzt werden, um Projekte zu verzögern oder zu verhindern.
Uns ist wichtig, diese Themen offen anzusprechen. Wir wollen zuhören, Fakten transparent machen und zeigen, dass Energiewende und Naturschutz keine Gegensätze sind, im Gegenteil: Eine gut geplante Energiewende ist auch ein Beitrag zum Schutz unserer Umwelt. Und die Energiewende ist ein Gemeinschaftsprojekt. Das verbreitete Kirchturmdenken – also der Fokus auf den eigenen Vorteil ohne Blick auf das Ganze – bringt uns nicht weiter. Wenn uns das Gefühl für gesamtgesellschaftliche Verantwortung abhandenkommt, muss die Kommunikation an Solidarität und Generationengerechtigkeit appellieren.
p2m: Welche Stakeholder und Player treten in diesen Prozessen auf?
EM: In solchen Prozessen sind viele unterschiedliche Akteurinnen und Akteure beteiligt. Und alle bringen ihre eigene Perspektive, Agenda und Verantwortung mit. Da sind zunächst die Betreiber:innen, die das Projekt umsetzen wollen, sowie Bund, Länder und Gemeinden, die Genehmigungen erteilen und/oder Rahmenbedingungen schaffen. Hinzu kommen Bürger:innen und Anrainer:innen, die direkt betroffen sind. Eine wichtige Rolle spielen auch Expert:innen aus verschiedensten Bereichen – von Technik und Umwelt über Gesundheit bis zu Raumplanung – oft mit sehr unterschiedlichen Einschätzungen und Interessen. Nicht zu vergessen sind die Medien, die wesentlich dazu beitragen, wie ein Projekt öffentlich wahrgenommen wird. Und schließlich wir, idealerweise möglichst früh im Prozess, mit dem Ziel, verständlich zu informieren, Stakeholder:innen einzubinden und Fakten einzuordnen, bevor sich Halbwissen oder Gerüchte verfestigen.
p2m: Welche Kommunikationsformate haben sich aus Ihrer Erfahrung besonders bewährt, um Menschen zu erreichen und einzubinden?
EM: Aus meiner Erfahrung wirken vor allem Kommunikationsformate, die echte Beteiligung ermöglichen – also dort, wo Mitsprache nicht nur versprochen, sondern auch sichtbar umgesetzt wird. Beteiligung ist kein Feigenblatt, sie muss ernst gemeint sein: Wenn Menschen merken, dass ihre Stimme zählt, steigt Akzeptanz und Engagement spürbar. Partizipation braucht klare Leitplanken, aber innerhalb dieser Spielräume können wir viel bewegen, und genau diese Freiräume gilt es in unterschiedlichen Formaten sichtbar zu machen: ob durch moderierte Dialogveranstaltungen, Workshops, Bürger:innenräte oder digitale Beteiligungsplattformen.
Modelle gemeinsamer Verantwortung, wie finanzielle Beteiligungen, Energiegemeinschaften oder Stiftungen, können starke Brücken zwischen Bevölkerung, Politik und Projektwerbern schlagen. Entscheidend ist dabei, zuzuhören – auch dann, wenn es unbequem wird – und kritische Stimmen als wertvollen Teil des Dialogs zu begreifen. Ganz wesentlich: Menschen auf Augenhöhe zu begegnen, mit einer Sprache, die alle verstehen, und mit Formaten, die niemanden ausschließen.
p2m: Welche Narrative eignen sich, um Akzeptanz für Energieprojekte zu schaffen? Welche würden Sie eher vermeiden?
EM: Wir müssen den Nutzen von erneuerbarer Energie stärker mit dem eigenen Leben in Verbindung bringen. Energie bedeutet Lebensqualität. Ohne Strom, ohne stabile Netze und ohne erneuerbare Energien – am besten aus Österreich – können wir unseren Lebensstandard nicht halten. Darauf müssen wir in der Kommunikation konsequent hinweisen.
p2m: Wie lassen sich komplexe technische Inhalte so darstellen, dass sie für eine breite Öffentlichkeit verständlich und glaubwürdig sind?
EM: Wichtig ist uns, die Inhalte optisch ansprechend, komprimiert, aber nicht verkürzt, und gerne auch unterhaltsam darzustellen. Wir verstehen uns dabei als Übersetzer:innen – insbesondere für technische Inhalte.
p2m: Gab es in Ihrer Arbeit ein Beispiel, bei dem Kritik oder Protest die Kommunikationsstrategie entscheidend verändert haben?
EM: Ja, absolut. Kritik und Protest sind immer Signale, die wir sehr ernst nehmen und die unsere Kommunikationsstrategie maßgeblich beeinflussen können. Wir sind sehr nah an den Projekten dran, Feinjustierungen gehören für uns zum Alltag.
p2m: Woran lässt sich erkennen, dass die Kommunikationsstrategie eines Energieprojekts erfolgreich ist?
EM: Wir sind dann mit unserer Kommunikation erfolgreich, wenn die mediale Berichterstattung überwiegend neutral ist, Genehmigungen reibungslos verlaufen, Volksbefragungen nicht notwendig sind bzw. positiv ausfallen und Bürger:innen sich mit dem Projekt identifizieren. Wenn zur Eröffnung viele Menschen aus der Gemeinde bzw. der jeweiligen Region kommen, ist klar: Das Projekt wird akzeptiert.
p2m: Hat sich die öffentliche Wahrnehmung zu geplanten großen Energieprojekten im Laufe der Zeit geändert, und wenn ja, warum?
EM: Ja, die öffentliche Wahrnehmung hat sich eindeutig verändert. Heute erleben wir durch verschiedene gesellschaftliche Faktoren eine deutlich stärkere Polarisierung. Viele Menschen beziehen rascher klare Pro- oder Contra-Positionen, gerade bei großen Energieprojekten. Das bedingungslose Vertrauen in Institutionen und Politik ist deutlich zurückgegangen. Das ist grundsätzlich positiv, denn eine kritisch informierte Öffentlichkeit ist wichtig für eine lebendige Demokratie. Gleichzeitig führt diese Entwicklung aber auch dazu, dass sich Positionen schnell verhärten und Dialogräume kleiner werden. Vor allem Windprojekte oder Netzinfrastruktur stoßen oft auf sofortige Ablehnung. Dieses NIMBY-Denken blendet leider aus, dass Energiewende und Versorgungssicherheit nur funktionieren, wenn wir solidarisch denken, also über den eigenen Standort, die persönlichen Befindlichkeiten und die gewohnte Bequemlichkeit hinaus. Genau hier liegt unsere Aufgabe: Wir müssen Formate und Kommunikationswege schaffen, die Menschen ins Gespräch bringen.
p2m: Gibt es Unterschiede in der Wahrnehmung verschiedener Anlagentypen, z.B. Windkraftwerke, PV-Anlagen, Übertragungsleitungen, Batterien, Stauseen/Talsperren?
EM: Ja, es gibt Unterschiede, aber ein Muster ist klar: Sobald Menschen direkt betroffen sind, reagieren sie ähnlich. Ob Windräder, Stromleitungen oder Batteriespeicher – die Nähe zum eigenen Heim macht den Unterschied. Grundsätzlich werden PV-Anlagen oder Speicher oft neutral oder sogar positiv gesehen, weil sie weniger sichtbar und leichter zu verstehen sind. Windkraft oder große Netzinfrastrukturprojekte hingegen lösen deutlich stärkere Emotionen aus. Am Ende zeigt sich: Entscheidend ist nicht die Technologie, sondern wie gut die Kommunikation gelingt. Wenn Menschen verstehen, warum ein Projekt notwendig ist, steigt die Akzeptanz deutlich.
p2m: Welche drei zentralen Tipps würden Sie einem Projektteam geben, das gerade mit der Kommunikation startet?
- Kopf und Herz ansprechen. Machen Sie klar, warum das Projekt wichtig ist.
- Aktiv und optimistisch bleiben. Kommunikation heißt gestalten. Haltung und Zuversicht wirken ansteckend.
- Ehrlich bleiben. Nichts überzeugt mehr als Transparenz. Sagen, was ist, auch wenn es unbequem wird.
p2m: Frau Mag. Michlits, wir danken Ihnen herzlich für das Interview.