Zeitgenossen, die den wirtschaftlich, politisch und ökologisch sinnvollen Wunsch verfolgen, im Wohneigentum aus dem Brennstoff Erdgas, auszusteigen, stoßen auf eine Reihe von Wiederstände, die ein derartiges Vorhaben stark behindern bis verhindern können.
power2market: Andreas, Sie sind Eigentümer einer Altbauwohnung in einem Wohnhaus, welches bereits teilweise thermisch saniert wurde und in welchem man beabsichtigt aus Erdgas auszusteigen. Was sind die Beweggründe für „Raus aus Gas in Ihrer Wohnanlage“?
Andreas B.: Wie in vielen Wohnhäusern gibt es auch in „meiner“ Anlage Eigentümer, die dem Brennstoff Erdgas Ade sagen möchten. Dies einerseits um die Treibhausgasemissionen zu vermindern – Stichwort Klimaschutz - andererseits aus wirtschaftlichen Gründen – so sich die Investition in eine energetische Sanierung des Hauses – samt Umstellung der Wärmebereitstellungsart - rechnet.
Wie initiiert man so einen Prozess in einem Mehrparteienhaus?
A. B.: Diejenigen Eigentümer die aus genannten Beweggründen die Idee geboren haben, haben bei der Hausverwaltung die Möglichkeit der Realisierung angestoßen. Die Hausverwaltung hat, in Absprache mit den Eigentümern, eine Vorstudie erstellen lassen um eine Vorstellung zu bekommen in welcher Größenordnung sich die Investition bewegen würde und um eine Basis für Initialdiskussion mit allen Eigentümern zu haben.
Wie wurde dann der Prozess – mit Unterstützung der Hausverwaltung – konkretisiert?
A. B.: In einer Eigentümerversammlung, in welcher das Basiskonzept präsentiert wurde, wurde beschlossen eine umfangreiche Studie ausarbeiten zu lassen in welcher sämtliche Entscheidungsgrundlagen – samt Variantendarstellungen – analysiert und beschrieben werden.
Was kann man sich als Laie unter so einer Studie vorstellen?
A. B.: In der umfangreichen Studie wurden:
- die vorgeschlagenen Sanierungsarbeiten beschrieben und mit den jeweiligen Kosten versehen;
- die Wärmebereitstellungsmöglichkeiten, konkret Fernwärme, Luft-Wasser-Wärmepumpe im Dachraum sowie die Nullvariante (Beibehalten der Wärmebereitstellung mit Erdgas) analysiert, grafisch dargestellt und ebenfalls mit den erforderlichen Investitionsgrößen versehen;
- die Energieeinsparungen der jeweiligen Option errechnet und daraus die wertmäßigen Einsparungen des zukünftigen Wärmeverbrauchs – bei Materialisierung der jeweiligen Variante – samt daraus folgenden Amortisationszeiten dargestellt;
- konkrete Finanzierungsoptionen für die jeweilige Entscheidung aufgezeigt;
- die Möglichkeit eines späteren Beitritts von Miteigentümern, die in der Initialphase noch nicht überzeugt werden können, zum Konzept erörtert.
Welche Variante hätte sich in „Ihrer“ Anlage als die Vorteilhafteste herausgestellt?
A. B.: In unserer Anlage hätte die Installation einer Luft-Wasser-Wärmepumpe im Dachraum, samt Aufstellung eines Warmwasserspeichers im Keller, zum besten Ergebnis geführt – wobei die Investitionen zwar hoch wären aber sich innerhalb relativ kurzer Zeiträume „gerechnet“ hätten.
Nun sieht das Gesetz das Erfordernis der Zustimmung aller Miteigentümer zu so einem Schritt vor. Ist dieses 100% „Ja“ einfach zu erreichen?
A. B.: Spätestens mit diesem Schritt fangen die Hürden an. Die Eigentümerzusammensetzung ist meist heterogen somit sind die – Großteils berechtigten - Interessensunterschiede auch sehr unterschiedlich und teilweise auch gegenläufig. Die genannten Gründe gegen die Realisierung des Plans lauten – beispielsweise - wie folgt:
- mein Rauchfangkehrer hat mir gesagt, dass die Wärmebereitstellung mittels Wärmepumpe bei tiefen Außentemperaturen nicht ausreicht und die Wohnung „kalt“ bleibt;
- der Dachraum kann doch für einen Wohnungsausbau verwendet werden – wo soll dann die Wärmepumpe aufgestellt werden;
- wenn ich als Eigentümer die Wohnung vermiete kann ich – trotz energetischer Sanierung – nicht die Miete einfach erhöhen damit sich diese Investition rechnet;
- in meinem Alter rechnet sich die Investition nicht mehr;
- ich möchte mir in meinem Alter den Stress, Baustellenlärm und Staub, bedingt durch die Bau- und Installationsarbeiten, nicht mehr antun;
- wir könnten warten bis es wieder umfangreiche Förderungen für solche Arbeiten gibt.
Die Aufzählung der Gründe für den Widerstand gegen die Umsetzung der „Raus aus Gas“- Idee sind sehr mannigfaltig und teilweise nicht rational. Beispielsweise bräuchte man eine neutrale Beratung um manche Hürden (kalten Wohnung an einigen Tagen pro Jahr) zu überwinden. So auch das Argument der fehlenden Förderungen. Üppige Förderungen führen, bedingt durch die dadurch entstehende große Nachfrage, zu höheren Preisen wodurch ein Teil, wenn nicht sogar der Großteil, der Förderungen „aufgefressen“ wird. Gegen manche, berechtigte, Argumente – wie Interesse des Vermieters oder altersbedingte Widerstände (Investition rechnet sich für mich nicht mehr) kommt man einfach nicht an. Aus den genannten Abneigungen wird ersichtlich, dass ohne Änderung der Gesetzeslage, wie 100% Zustimmungserfordernis oder Miethöhenunterschied mit und ohne energetische Sanierung, die hehre Idee „Raus aus Gas“ sehr schwierig umzusetzen sein wird – zumal der angepeilte Zeitraum mehr als ambitioniert erscheint. Die hier genannten Gründe für eine Änderung der gesetzlichen Vorkehrungen sind nur beispielhaft und werden eher noch viel umfangreicher ausfallen müssen.
Wurde bei ihnen in der Wohnanlage das Projekt – trotz der erheblichen Vorteile - also verhindert?
A. B.: Die Abstimmung über die Umsetzung des Projektes wurde auf unbestimmte Zeit verschoben, weil im Rahmen der Eigentümerversammlung klar ersichtlich wurde, dass eine sofortige Abstimmung nicht von Erfolg gekrönt sein würde. Vielleicht gelingt es den Befürwortern die Skeptiker zu überzeugen aber das wird viel Zeit beanspruchen – falls man überhaupt die Zustimmung aller Eigentümer erreicht.
Andreas, vielen Dank für das Gespräch und Ihre dafür aufgewendete kostbare Zeit. Ich hoffe, dass das Projekt doch noch gelingt.