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A tutto gas
22 – 36 GW neue gasbefeuerte KW in Deutschland? Auswirkungen auf Erdgasversorgung in Österreich?
by Alfred Schuch
9/4/2025

Deutschland, als Europas größte Volkswirtschaft, wird bis 2035 22 bis 36 GW zusätzliche Kapazität benötigen um die Stromversorgung aufrechterhalten zu können – so das deutsche Wirtschaftsministerium mit Verweis auf Schätzungen der Bundesnetzagentur. Das deutsche Wirtschaftsministerium geht daher von einem starken Nachfrageanstieg nach Gaskraftwerken aus – falls sich die Einführung von RES und flexiblen Technologien verlangsamen sollte. Der angegebene zusätzliche Kapazitätsbedarf würde die derzeit installierte Gaskraftwerksleistung verdoppeln und fällt auch deutlich höher aus als der vor drei Jahren genannte Bedarf von 17 – 21 GW – dieser allerdings bis 2030. 

Gem. dem deutschen Wirtschaftsministerium unterstreichen die jüngsten Schätzungen den Bedarf an mehr Gaskraftwerken. Die Netzregulierungsbehörde nennt keine konkreten Technologien, sondern meint, dass Batterien und flexibler Stromverbrauch ebenfalls dazu beitragen können, die Lücke zu schließen.

Im Bericht der Bundesnetzagentur wurden zwei Szenarien analysiert. Im worst case scenario, würden 36 GW benötigt werden, wenn der Ausbau der RES ins Stocken geraten und Technologien die einen flexibleren Stromverbrauch ermöglichen - wie Wärmepumpen, Batterien und Elektrofahrzeuge – nicht im ausreichenden Ausmaß eingeführt werden sollten.

Aus der österreichischen Perspektive könnte die Größenordnung der zusätzlichen Gaskraftwerkleistung von hoher Bedeutung sein. Dies deswegen, weil das für die österreichische Erdgasversorgung bestimmte Erdgas Großteils durch Deutschland transitiert wird. Wenn man unterstellt, dass die gasbefeuerten Kraftwerke wahrscheinlich vorwiegend in Süddeutschland benötigt werden – somit die entsprechende Erdgasrohrleitungs-transportkapazität in Deutschland für die Anspeisung der Kraftwerke benötigt werden wird – zusätzlich zu der für die Erdgasdurchleitung nach Österreich benötigten Kapazität – dann könnte es zu bestimmten Zeiten zu Durchleitungskapazitätsknappheiten in Deutschland kommen. Hier bedarf es komplexer, grenzüberschreitender, Transportkapazitäts-berechnungen. Österreich sollte die Standortplanung der gasbefeuerten Kraftwerke in (Süd) Deutschland genau verfolgen und sich konstruktiv einbringen. Falls tatsächlich zu wenig Durchleitungskapazität nach Österreich vorhanden sein sollte – unter Berücksichtigung der wahrscheinlichen Einsatzzeiten und den zugehörigen Spitzenleistungen der gasbefeuerten Kraftwerke in (Süd)Deutschland – wären beispielsweise folgende Optionen gegeben.

Österreich könnte versuchen mehr Erdgas über Italien nach Österreich zu transportieren. Es wäre auf der TAG zwar ausreichend Entry-Kapazität nach Österreich vorhanden jedoch stellt sich die Frage ob Italien für die Inlandsversorgung sowie die Durchleitung nach Österreich mit ausreichend Erdgas versorgt werden kann. Dies vor dem Hintergrund, dass in Algerien die Erdgasproduktion deutlich erhöht werden müsste – was ziemlich schwierig ist und einer langen Lead-time bedarf, der Import aus Aserbaidschan mittelfristig nicht erhöht werden kann und die italienischen LGN-Regasification-Terminals auch nicht üppige Reservekapazitäten aufweisen – zumal Italien ein Erdgashochpreisland war und ist.

Eine andere Option wäre eine Änderung der Fahrweise der österreichischen Erdgasspeicher. Das bedeutet, dass in Zeiten, in denen die erdgasbefeuerten Kraftwerke in Süddeutschland die volle Leistung ziehen, Österreich möglicherweise vorwiegend aus den österreichischen Erdgasspeichern versorgt werden müsste – dies bei relativ geringen zeitgleichen Importen über Oberkappel (Anmerkung: Oberkappel wird ausreichend Entry-Kapazität aufweisen jedoch könnte, wie beschrieben, die Durchleitungskapazität in Deutschland zum Bottleneck werden) und Entry Arnoldstein. Darüber hinaus könnte die Erdgasspeicherwiederbefüllung in Österreich von verfügbaren Durchleitungskapazitäten in Süddeutschland beeinflusst werden und nicht von günstigen Sommer-Winter-Spreads.

Somit ist auch aus österreichischer Sicht eine solide Kalkulation des künftigen Strombedarfs in Deutschland wichtig. Die deutsche Regierung hat zwei private Think Tanks mit einer separaten Untersuchung des künftigen Strombedarfs beauftragt. Österreich sollte ehestmöglich ebenfalls den inländischen, zukünftigen, Strombedarf – auf rollierender Basis – abschätzen. Dies vor dem Hintergrund der durch die KI bedingten Strombedarfsentwicklungen – unter anderem.