Interview mit dem Geschäftsführer von Netz OÖ DI Michael Haselauer zu H2-Ausbau und Nutzung des Gasnetzes.

power2market: Sehr geehrter Herr DI Haselauer, vorab vielen Dank, dass Sie, als Geschäftsführer der Netz Oberösterreich GmbH, sich die Zeit für dieses Interview nehmen und damit der interessierten Leserschaft mehr Einblicke in spannende Tätigkeiten ihres innovativen Unternehmens gewähren.
Oberösterreich hat einen hohen Industrieanteil an der im Bundesand erbrachten Wirtschaftsleistung – zumal in einigen dieser Industriebetriebe entweder Wasserstoff (H2), der aus fossilen Energieträgern gewonnen wird, durch grünen H2 oder fossile Energieträger durch grünen H2 ersetzt werden könnten. In welcher Form erwarten Sie den H2-Hochlauf? Dies vor dem Hintergrund, dass sich Betriebe wie BP, Shell, Equinor, Statkraft bzw. Örsted ihre H2-Projekte vorübergehend auf Eis gelegt haben. Wird es den „H2-Big Bang“ geben oder wird sich der H2-Markt von der lokalen auf die regionale, nationale und dann internationale Ebene entwickeln?
Michael Haselauer: Als Netzbetreiber gehen wir von einer evolutionären Entwicklung aus – Erzeugung am Standort, Entwicklung Cluster, Realisierung Startnetz und Ausbau zum Kernnetz. Diese können wir aktuell auch im Industriebundesland Oberösterreich beobachten. Industrielle Unternehmen beginnen zunehmend mit Planungen kleinere Elektrolyseure am eigenen Standort zu errichten, um erste Erfahrungen mit der H2 Technologie zu gewinnen. Dazu langen Anfragen hinsichtlich Stromversorgung ein. Parallel dazu gibt es in Oberösterreich bereits Überlegungen zum Entstehen eines Clusters. Entsprechend soll nach Sattledt eine H2 Produktionsanlage samt Speicheroption in einer ehemaligen Erdgaslagerstätte entstehen. Potentielle Kunden befinden sich im Zentralraum Linz. Steigende Nachfrage könnte internationale Projekte in weiterer Folge nach Österreich führen, die traditionelle geographische Lage als Transitregion begünstigt diese Option.
power2market: Netz Oberösterreich hat vor kurzem verkündet, dass eine Umwidmung der bestehende Erdgasleitung HDL H012 auf dualen Betrieb eingereicht werden wird – so wie im Dokument „Langfristige und integrierte Planung 2024“ (LFiP 2024), Stichwort H2-Startnetz OÖ, beschrieben. Ist es so zu verstehen, dass zuerst die Umwidmung der genannten Leitung durchgeführt wird und – nach Genehmigung der LFiP 2024 durch die E-Control – die nächsten Schritte, nämlich Umstellung der HDL H012 Leitung auf H2-Betrieb nachdem in parallel eine Gasversorgungsleitung gebaut wurde – gesetzt werden?
Michael Haselauer: Die bestehende 16“ Leitung soll in weiterer Folge als H2 Leitung zur Verfügung stehen. Das konkrete Vorhaben ist sowohl Teil des bereits ausgewiesenen Wasserstoff Startnetzes als auch notwendige Verbindung eines OÖ. H2 Clusters Sattledt – Linz. Die Aufrechterhaltung einer Methanversorgung im Einzugsbereich der zukünftigen H2 Leitung befindet sich noch in Ausarbeitung und hängt vom zukünftigen Kundenbedarf ab.
power2market: Die in der LFiP 2024 anvisierten Fertigstellungstermine wurden zu einer Zeit ermittelt als man hoffte, dass die gesetzlichen Grundlagen für den H2-Hochlauf eher verfügbar sein werden als es derzeit den Anschein hat. Kann es aufgrund der verspätet entwickelten gesetzlichen Regelungen zu Verschiebungen nach hinten kommen?
Michael Haselauer: Derzeit sind für das Vorhaben nur die betriebsanlagenrechtlichen Grundlagen für ein Genehmigungsverfahren vorhanden. Der Betrieb eines Wasserstoffnetzes durch einen Netzbetreiber ist derzeit in Österreich noch nicht zulässig. Daher können Investitionen erst erfolgen, wenn diesbezüglich Rechtssicherheit gegeben ist.
power2market: Wird Ihrer Meinung nach grüner H2 zuerst Wasserstoff der aus fossilen Brennstoffen erzeugt wurde (grauer Wasserstoff) ersetzen – also ohne Änderung der Produktionstechnologie wie beispielsweise in Raffinerien – oder werden in parallel auch Produktionstechnologien geändert – wie beispielsweise in der Stahlerzeugung – um ehestmöglich eine große Nachfrage nach grünem H2 zu erzielen?
Michael Haselauer: Wir erwarten vorrangig den Einzug von grünem Wasserstoff in neue Anwendungsfelder wie beispielsweise in der Metallindustrie, weil sich dadurch F&E Potentiale ergeben. Die Entwicklung des LD Verfahrens hat seinen wirtschaftlichen Erfolg durch den weltweiten Verkauf der Technologie erfahren.
power2market: Oberösterreich hat eine sehr hohe Erdgasspeicherkapazität – sowohl hinsichtlich Volumina aber auch Einspeicher- und Entnahmeraten. Ebenso werden schon die ersten H2-Porenspeicher (ausgeförderte Erdgaslagerstätten) in OÖ entwickelt. Da die Entwicklung von H2-Speichern aber auch die Materialisierung von Pipelines und anderer Infrastrukturteilen – wie beispielsweise Kompressorstationen – einer langen Planungs- und Ausführungszeit bedürfen, möchte ich die Frage stellen wie man Ihrer Meinung nach die jeweiligen Prozessschritte beschleunigen könnte um Klimaneutralitätsziele bis 2040 zu erreichen?
Michael Haselauer: Entwicklungszeiten sind immer von einer potenten Nachfrage geprägt, die Nachfrage bestimmt die Zeitpläne.
power2market: Vor knapp einem Jahr hat der Ministerrat die Österreichische Carbon Management Strategie (CMS) beschlossen. Oberösterreich kommt auch hinsichtlich zukünftiger CO2-Infrastruktur eine bedeutende Rolle zu. Die Austrian Gas Grid Management AG (AGGM) hat vor ein paar Monaten die ersten Ausblicke betreffend CO2 Infrastruktur in Österreich vorgestellt. Sind Sie und ihr Team auch bereits an diesem Thema dran?
Michael Haselauer: Diese Entsorgungstechnologie erfordert eine neu zu errichtende Infrastruktur für wenige Produktionsstandorte. Das wirtschaftliche Risiko ist eng an jenes der industriellen Unternehmen hinsichtlich Technologie und Märkte gekoppelt. Das entspricht nicht dem Modell von Strom- und Gasnetzbetreibern und es wäre dafür auch die behördliche Zulassung für dieses Geschäftsfeld erforderlich.
power2market: Sie nehmen auch im Forum Versorgungssicherheit - die gemeinsame Plattform der fünf Verteilernetzbetreiber, Wiener Netze GmbH, Netz Niederösterreich GmbH, Netz Burgenland, LINZ NETZ GmbH und Netz Oberösterreich - eine sehr aktive Rolle ein. Wie schätzen Sie die Preisentwicklung für Erdgas in der späten Speicherwiederbefüllungsphase 2025 ein? Wäre es Ihrer Meinung nach sinnvoll den Wiederbefüllungszeitraum zu strecken oder andere Absicherungsinstrumente einzusetzen um erwartete Erdgaspreisspitzen, resultierend aus den diesbezüglich strikten EU-Vorgaben, entgegenzuwirken?
Michael Haselauer: Als Netzbetreiber haben wir im Wege des Gemeinschaftsunternehmens AGGM – Austrian Gas Grid Management GmbH über die 100% Tochter ASGM die strategische Gasreserve der Republik organisiert. Zur kommerziellen Speicherbewirtschaftung werden sich Netzbetreiber nicht äußern.
power2market: Meine abschließende Frage betreffend H2 zielt auf die vorgeschlagene Regulierung – basierend auf der EU-Richtlinie 2024/1788 – ab. Während sich der Markt eine „light touch regulation“ wünscht gehen die ersten Vorschläge in Richtung heavy-handed regulation – so mein Eindruck. Der nationale Gesetzgeber hat zwar die Möglichkeit die österreichischen Regelungen im Rahmen der Vorgaben der RL 2024/1788 an die Gegebenheit in Österreich anzupassen – jedoch relativ eingeschränkt. Was ist Ihrer Meinung nach aus der Regulierungsperspektive erforderlich um den Anlauf zum Hochlauf einer Wasserstoffwirtschaft „smooth“ zu gestalten?
Michael Haselauer: Grundsätzlich begrüßen wir ein Markt- und Regulierungsmodell, welches den etablierten Regelungen im bestehenden Erdgasmarkt entspricht. Im Hochlauf wird das aber nicht zu realisieren sein. Da braucht es einfache Vereinbarungsoptionen. Ein H2 Cluster hat keinen Zugang zu einem H2 Ausgleichsenergiemarkt. Wird mehr erzeugt als verbraucht wird ist die Einspeisung zu begrenzen, ist der Verbrauch höher als die Erzeugung ist die Entnahme der Kunden zu beschränken. Das kann pro Rata erfolgen oder ein Kunde ist im Verbrauch flexibel und macht den Ausgleich für die anderen. Das löst man am besten durch individuelle wirtschaftliche Vereinbarungen zwischen den betroffenen lösungsorientierten „H2 Pionieren“.
power2market: Ich bedanke mich nochmals für das Interview und für Ihre dafür aufgewendete kostbare Zeit.