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Wasserstoff
H2 in den Startlöchern – E-Control setzt auf kluge Vorarbeit

ECA: Trotz fehlender Rechtsgrundlagen laufen bereits wichtige Vorarbeiten für den Wasserstoffmarkt.

10.07.2025

Sehr geehrte Frau MMag.a Wernig,
vorab vielen Dank, dass Sie – als zentrale Ansprechpartnerin, wenn es innerhalb der E-Control um Wasserstoff (H2) geht – sich die Zeit für dieses Interview nehmen und damit der interessierten Leserschaft mehr Einblicke in spannende Aufgaben der E-Control gewähren.

power2market: Die Umsetzung der Richtlinie (EU) 2024/1788 (Gemeinsame Vorschriften für die Binnenmärkte für erneuerbares Gas, Erdgas und Wasserstoff) ins nationale Recht wird dieses Jahr nicht mehr zu schaffen sein. Mit dem ElWG-Paket wird zwar auch das E-Control-Gesetz novelliert und die E-Control soll bereits als zuständige Regulierungsbehörde für Wasserstoff benannt werden, aber die materiellen Regelungen werden erst mit dem GWG neu umgesetzt. Wie könnten die maßgeblichen Player – also inklusive E-Control – trotzdem sinnvolle Vorarbeiten mit Fokus auf die H2-Wirtschaft erbringen, um nicht zu viel Zeit auf dem Pfad des intendierten H2-Hochlaufs zu verlieren?
 

KW: Wir haben in Österreich bisher keine Rechtsgrundlage für einen regulierten Wasserstoffmarkt. Unternehmen können aber trotzdem bereits Entscheidungen für Wasserstoff treffen, wie dies beispielsweise die OMV AG für eine 140-MW-Elektrolyse-Anlage in Sarasdorf/Niederösterreich oder die RAG AG für ihre Anlagen in Rubensdorf/Oberösterreich und Gampern/Oberösterreich getan haben. Was es aktuell noch nicht gibt, ist ein Regulierungsrahmen für Netzbetreiber mit regulierten Netzentgelten sowie eine zuständige Regulierungsbehörde für Wasserstoff, wie im Strom- oder auch Gasbereich. Wir hoffen, dass sowohl das ElWG und E-Control-Gesetz – mit der Zuständigkeit der E-Control für Wasserstoff – als auch ein Gas-Wasserstoff-Gesetz („GWG neu“) möglichst bald erlassen werden.
Dennoch gibt es Möglichkeiten, bereits jetzt sinnvolle Vorarbeiten zu leisten, um den Wasserstoffmarkt zu beschleunigen:
Wir sind im ständigen Austausch mit potenziellen künftigen Marktteilnehmern aus den Bereichen Erzeugung, Netzbetrieb und Abnahme, um das Verständnis der Bedürfnisse in den einzelnen Bereichen auf allen Seiten zu vertiefen sowie Möglichkeiten und Herausforderungen herauszuarbeiten.
Im Zuge der Projekte von gemeinsamem Interesse (project of common interest, PCI) können Fernleitungsnetzbetreiber auch finanzielle Unterstützung für ihre Projekte beantragen, was von Seiten E-Control ebenfalls unterstützt wird. Die TAG GmbH war erfreulicherweise bereits erfolgreich.
Im Rahmen der Netzentwicklungsplanung Gas wurde von Seiten E-Control bereits seit 2022 die Möglichkeit geschaffen, Wasserstoff-Planungsprojekte zu genehmigen. In der aktuellen LFiP 2024 werden auf Anweisung der E-Control erstmals auch Kostenabschätzungen für diese Planungsprojekte diesen Sommer veröffentlicht werden, um die Transparenz zu erhöhen.
Im April 2025 haben wir einen Stakeholder-Dialog gestartet, um erste Eckpunkte für ein künftiges Wasserstoff-Zielmarktmodell mit potenziell künftigen Marktteilnehmern breit zu diskutieren. Dies ist eine Vorarbeit für eine erste Wasserstoff-Marktmodell-Verordnung (in Anlehnung an die bestehende Kompetenz für Gas).
Selbst wenn die gesetzliche Grundlage noch nicht vollständig ist, können vorbereitende Dokumente und Entwürfe für regulatorische Rahmenbedingungen (z. B. „Leitlinien“, wie im Dekarbonisierungspaket genannt) entwickelt werden. Diese können als Grundlage dienen, sobald die Implementierung der Gesetze möglich ist.

power2market: Im Hinblick auf die Regulierung der erwarteten H2-Wirtschaft stellt sich die Frage der Regulierungstiefe – also „light touch regulation“ versus „heavy-handed regulation“ – insbesondere in der Anlaufphase zu einem H2-Markt. Wie sehen Ihre diesbezüglichen Vorstellungen/Forderungen aus?
 

KW: Für die Regulierungsbehörde ist ein kosteneffizientes System, leistbare Energie und die Sicherung des Wirtschaftsstandorts von zentraler Bedeutung. Wasserstoffabnehmer müssen die Energie – inklusive der Infrastruktur und etwaiger Systemoperatoren – bezahlen und in deren Produkten einpreisen (können). Daher sieht unser Vorschlag für die Startphase – mit 1–2 Verteilernetzbetreibern sowie Einspeisern und Abnehmern je Cluster – vor, dass Wasserstoffnetzbetreiber Aufgaben, die ihnen das EU-Dekarbonisierungspaket zuweist, auch selbst erfüllen sollen, um Zusatzkosten durch Systemoperatoren zu vermeiden. Dafür sollen im GWG neu die Systemaufgaben der Netzbetreiber definiert werden, die unter Bedingungen auch delegiert werden können. Also „light touch regulation“ für den Start. Gleichzeitig erachten wir es im Sinne der regulatorischen Vorhersehbarkeit als wichtig, bereits jetzt ein Zielbild zu schaffen. Die künftige H2-Marktmodell-VO wird an die jeweiligen Anforderungen der Phasen entsprechend angepasst werden, wenn es erforderlich ist.

power2market: Sie haben sich in den anvisierten Hochlauf einer Wasserstoffwirtschaft in Österreich sehr frühzeitig vertieft und arbeiten an der Erstellung vorbereitender Unterlagen. Mangels gesetzlicher Grundlage ist es aus der Perspektive der Regulierungsbehörde sehr schwierig, verbindliche Dokumente zu erstellen oder gar die in der „Langfristigen und integrierten Planung“ (LFiP), erstellt durch die Austrian Gas Grid Management AG, beschriebenen H2-Projekte zu genehmigen. Was wäre aus Ihrer Sicht hilfreich, um die von der E-Control, aber auch von anderen relevanten Playern bereits erbrachten Vorleistungen – wie beispielsweise die Resultate der LFiP – „auf den Boden zu bringen“?
 

KW: Eine klare Rechtsgrundlage, die eine Wasserstoff-Kostenbasis sowie ein etwaiges Förderregime umfasst, würde deutlich machen, welche Kosten von den Netznutzern zu tragen sind. Dadurch kann sich ein tatsächlicher und verbindlicher Bedarf manifestieren, was den Netzbetreibern die notwendige Investitionssicherheit bietet.

power2market: Wie schwierig ist es, die Ideen der E-Control – die Sie ja hinsichtlich H2 auch auf europäischer Ebene, beispielsweise in den Arbeitsgruppen der Agentur für die Zusammenarbeit der Energieregulierungsbehörden (ACER), diskutieren – mangels gesetzlicher Grundlage für den H2-Hochlauf voranzubringen?
 

KW: E-Control engagiert sich bereits aktiv in den Diskussionen auf europäischer Ebene. Der Austausch mit unseren Kolleg:innen ist wertvoll, um harmonisierte Ansätze zu entwickeln und Best Practices frühzeitig zu teilen. Dabei können Ideen getestet und weiterentwickelt werden.

power2market: Ist es aus Ihrer Sicht realistisch, dass noch über einen relativ langen Zeitraum Erdgas als Energieträger (zumindest) in Industriebetrieben zur Anwendung kommen wird und somit in parallele H2- und Erdgasinfrastrukturen in Betrieb sein werden? Falls ja, würde das bedeuten, dass beide Netze in einer Übergangsphase nicht zu 100 % ausgelastet sein werden, folglich höhere Netznutzungsentgelte für das jeweilige Netz zu berappen sein würden. Wie könnte man diese Übergangsphase meistern, ohne dass die relevanten Industriebetriebe an Wettbewerbsfähigkeit verlieren?
 

KW: Wir gehen aktuell davon aus, dass es eine gewisse Zeit lang parallele Infrastrukturen brauchen wird. Das zeigt auch die Grenzen von Umwidmungen bestehender Leitungen auf, welche nur möglich sind, wenn es bereits parallele Infrastrukturen (Stränge) gibt. Wie lange diese Periode dauert, hängt von klaren politischen Entscheidungen ab. Die Ausgestaltung eines Förderregimes für ein Wasserstoff-Startnetz ist hier ein zentraler Puzzlestein. Generell gilt sowohl für Erdgas als auch Wasserstoff, dass bei geringer Auslastung der Netze die Transportkosten je transportierter Energieeinheit höher sind als bei hoher Auslastung.

power2market: Angesichts der riesigen Fortschritte bei großen Batteriespeichern stellt sich die Frage, ob die Speicherleistungen anderer Energieträger – also Erdgas, H2, (Pump-)Speicher, eventuell Wärmespeicher – davon betroffen sein werden. Wäre es Ihrer Meinung nach sinnvoll, eine Art von übergreifender „Gesamtspeicheranalyse“ zu erstellen?
 

KW: Das EU-Dekarbonisierungspaket sieht unter anderem einen gemeinsamen Szenariorahmen als Basis für die künftige integrierte Netzentwicklungsplanung für zumindest Strom-, Gas- und Wasserstoffnetzbetreiber – sowohl Fernleitung als auch Verteilernetze – vor. Es steht den Mitgliedstaaten frei, dies auch auf Fernwärmenetze auszudehnen. Planungen von Erdgas- und Wasserstoffspeicherbetreibern sollen jedenfalls Berücksichtigung finden. Wir erwarten uns von dem gemeinsamen Szenariorahmen eine sinnvolle Weiterentwicklung der Netzentwicklungsplanung im Lichte der Sektorintegration und Kosteneffizienz.

power2market: Könnte es passieren, dass – bedingt durch die Österreichische Carbon Management Strategie (CMS) sowie den Net Zero Industry Act – sich H2 und die beabsichtigte CO₂-Abscheide- und -Speichermöglichkeit gegenseitig im Wege stehen, quasi um Nutzer der jeweiligen Netzinfrastruktur konkurrieren könnten?
 

KW: Aus unserer Sicht kann es sein, dass eine Konkurrenz um die Netznutzer bestehen wird. Auch hier sind klare politische Entscheidungen ein wichtiger Puzzlestein. Jedenfalls ist eine Form der Kommittierung von Netznutzern im Rahmen der Wasserstoff-Netzentwicklungsplanung und der Wasserstoff-Startnetz-Festlegung von zentraler Bedeutung, um „stranded assets“ zu vermeiden. Grundsätzlich erscheint auch eine Integration von CO₂-Infrastrukturen in eine integrierte Netzplanung ebenfalls sinnvoll.

power2market: Ich bedanke mich nochmals für das Interview und für Ihre dafür aufgewendete kostbare Zeit.