Interview mit Markus Krug, stellvertretender Leiter der Gasabteilung der E-Control

power2market: Sehr geehrter Herr Mag. Krug, vorab vielen Dank, dass Sie, als Abteilungsleiterstellvertreter der Gasabteilung der E-Control, sich die Zeit für dieses Interview nehmen und damit der interessierten Leserschaft mehr Einblicke in spannende Tätigkeiten der Regulierungsbehörde gewähren.
Sie haben vorige Woche an einer Paneldiskussion bei der FLAME – der wichtigsten (Erd)Gaskonferenz Europas – teilgenommen. Ich nehme an, dass Sie auch viele anderen Themen mit anderen Teilnehmern besprochen haben. Wie ist die Stimmung innerhalb der (Erd)Gasbranche – die ja doch mit gewollt sinkenden Verbräuchen konfrontiert wird?
Markus Krug: Ja, ich habe an einem sogenannten Fireside chat mit dem Thema: "With energy crisis leading to potential deindustrialisation in Europe - How much demand recovery can we see in 2025 and beyond? What are the stimuli required?" teilgenommen.
In dieser Diskussion wurde – unter anderem – die Frage wie sich die Erdgasnachfrage 2025 und danach entwickeln wird besprochen. Mein Eindruck in diesem „Kamingespräch“ aber auch bei anderen Diskussionen war/ist, dass der Großteil der Erdgasbranche konstruktiv an die Herausforderungen der europäischen Klimaneutralitätsziele herangeht. Es wird nach Lösungen gesucht die einerseits die angepeilten CO2eq-Reduktionen ermöglichen, andererseits aber auch die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Industrie sicherstellen. Kurz gesagt, die Herausforderungen sind groß.
p2m: Die FLAME setzt oft gewisse Schwerpunkte – wie ehemalig Power to Gas (P2G) Fracking, Wasserstoff (H2), etc. Welche Schwerpunkte werden derzeit thematisiert und erwartet
MK: Angesichts des Entfalls des Erdgastransits durch die Ukraine mit den damit einhergehenden Anforderungen diese ausbleibenden Mengen durch LNG-Lieferungen nach Europa auszugleichen, wurde dem weltweiten LNG-Markt große Aufmerksamkeit gewidmet. Weitere „hot topics“ waren die Methan-Emissions-Verordnung, Entwicklungen am Biomethanmarkt, grüner und blauer Wasserstoff – letzterer in Zusammenhang mit CCS.
p2m: Wie sieht die Branche den vorläufigen Rückzug von großen Playern wie Stadtkraft, BP, Shell, und Orsted aus Wasserstoffprojekten? Welche Gründe werden genannt? Ist es die mangelnde Wettbewerbsfähigkeit von grünem H2 gegenüber Erdgas bzw. gegenüber H2 welches mittels Dampfreformation aus fossilen Brennstoffen gewonnen wird und oder die „gefühlte“ heavy -handed-regulation?
MK: Da das Programm für die FLAME-Konferenz mit einer langen Vorlaufzeit erstellt wird und die genannten Rückzüge erst kürzlich bekannt wurden, wurde dieses Thema weder in einer Diskussionsrunde noch im Rahmen einer Präsentation behandelt. In Pausengesprächen wurden diese Rückzüge zwar teilweise angeschnitten aber ohne in Details zu gehen – die ja für Außenstehende überhaupt nicht oder nur im eingeschränkten Ausmaß zugänglich sind.
Statements die in Präsentationen und Diskussionen hinsichtlich H2 getroffen wurden sind:
- das Nachfragepotenzial für grünen H2 ist vorhanden aber derzeit ökonomisch meist nicht darstellbar.
- grüner H2 scheint derzeit hauptsächlich für Industriekunden als Ersatz für grauen H2 (beispielsweise Raffinerien) relevant zu sein.
- bestehende (graue) H2-Nachfrage und Ammoniak-Nachfrage sind logische erste Ziele für eine Umstellung auf grünen H2.
- Es wäre sinnvoll und notwendig das „Farbspektrum“ für H2 zu öffnen und sich nicht nur auf die teuerste Form, nämlich grünen H2, zu konzentrieren. Die im H2-Sektor tätigen FLAME-Teilnehmer fordern den Fokus auf die CO2-Intensität zu legen.
Der Entwurf der EK zum Delegated Act zu low-carbon fuels wird kritisch gesehen, da gemäß dem vorliegenden Dokument die durchschnittlichen und nicht die tatsächlichen Upstream-Methanemissionen bei der Ermittlung der CO2-Emissionen anzusetzen sind.
p2m: Wurden Fortschritte im Hinblick auf H2-Untertagespeicherung (Kavernenspeicher als auch Porenlagerstätten) diskutiert – dies auch vor dem Hintergrund der Ergebnisse der RAG Austria AG die ja die Möglichkeit der H2-Speicherung in ausgeförderten Lagerstätten am 14. Und 15. Mai in Wien präsentiert und diskutiert hat?
MK: Im Rahmen der FLAME, die ja sehr international ausgerichtet ist, folglich Länder außerhalb der EU hinsichtlich Hochlauf einer Wasserstoffwirtschaft im Zeitplan nicht so früh dran sind wie Deutschland und Österreich, hat dieses wichtige Thema noch nicht den erforderlichen Stellenwert im Programm eingenommen. Ich vermute, dass die H2-Untertagespeicherung – basierend auch auf den erfolgreichen Resultaten des Underground Sun Storage-Projektes der RAG Austria AG - im Rahmen der nächsten FLAME-Konferenz in den Blickpunkt gelangen wird.
p2m: Wird die Bereitstellung von CO2-Speichervolumen/-leistung – die ja gemäß dem Net Zero Industry Act – für EU-Erdgasproduzenten verpflichtend ist – bereits thematisiert?
MK: Es wurde zwar nicht ein direkter Bezug zum Net Zero Industry Act diskutiert aber es wurden Potenziale von Kombinationen - also blauer H2 verknüpft mit CCS – besprochen; hier beispielsweise Projekte in Canada (Alberta) wo bereits seit längerem blauer H2 mit CCS -Projekten im industriellen Maßstab kombiniert wird. Norwegen wird hinsichtlich CCS als führend in Europa angesehen wobei auch in Großbritannien erste Projekte für CCS-Cluster im Entstehen sind. In Norwegen stellt sich ein Integrierter Ansatz (Emittent – Transport – Speicher) als erfolgversprechend dar. Wichtig sind natürlich auch die Beseitigung von Barrieren für grenzüberschreitende CCS -Projekte sowie die Setzung von ökonomischen Anreizen.
p2m: Welche Pläne werden im Zusammenhang mit Biomethan geschmiedet und welchen Stellenwert hat Biomethan im zukünftigen Versorgungsmix – entsprechend den Schwerpunktsetzungen in der FLAME?
MK: Biomethan hat noch immer wenige wirkliche business cases – dies auch vor dem Hintergrund, dass Biomethan nicht nur im „Wettbewerb mit TTF“ (also Erdgas) sondern auch mit anderen Technologien zur Dekarbonisierung steht – so die Meinung der Teilnehmer. Biomethan könnte hinsichtlich Dekarbonisierung teilweise als günstige Alternative zu grünem Wasserstoff gesehen werden – in Abhängigkeit davon ob die H2-Produktionskosten – inklusive Transportkosten - im anvisierten Umfang und zeitgerecht sinken werden. Auf alle Fälle wäre ein harmonisierte EU-Markt notwendig um einen grenzüberschreitenden Biomethan Handel zu ermöglichen da es derzeit – im Vergleich zu einem grenzüberschreitenden Transport mittels Pipeline- „einfacher“ ist Biomethan als Bio-LNG mit einem LKW-Trailer zu transportieren. Hier besteht noch viel Aufholbedarf hinsichtlich EU-Zertifikate, Union Data Base etc. – so die Meinungen die in der FLAME ausgesprochen wurden.
p2m: Gibt es österreichspezifische Themen die für die anderen europäischen Länder von Interesse sind?
MK: In der Tat, die gibt es. Aufgrund des Entfalls der Ukraine-Route hat sich die Rolle Österreichs als Transitland – vorwiegend Richtung Italien – stark verändert. Der Transport von Erdgas nach Italien ist stark reduziert worden. D.h., dass sich die Grundlagen für die Tarifstruktur der Fernleitungsebene verändert haben – zumal der inländische Gasverbrauch auch zurückgegangen ist. In anderen Worten, die Anzahl der Kostenträger ist stärker gesunken als die Kosten und somit ergeben sich höhere Tarife. Diese Tariferhöhungen werden im europäischen Ausland aus unterschiedlichsten Gründen beobachtet. Wichtige Gründe sind beispielsweise die Auswirkungen auf die Gasflüsse in der Region, aber auch lessons learned – also was können die anderen Staaten aus den österreichischen Erfahrungen für sich mitnehmen – und natürlich auch vice versa.
p2m: Ich bedanke mich nochmals für das Interview und für Ihre dafür aufgewendete kostbare Zeit.