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A tutto gas
Einblicke in Zukunftsszenarien von H2-Speicherung

Michael Schmöltzer, Niederlassungsleiter der Uniper Energy Storage Austria, gibt Einblicke in aktuelle Vision und Realität der H2-Wirtschaft.

von Alfred Schuch
07.05.2025

power2market: Sie sind aufgrund Ihrer Tätigkeit im Hinblick auf die Speicherung von gasförmigen Energieträgern hautnah am Geschehen.  Wie sehen Sie die Entwicklung des H2-Sektors, nachdem der ursprüngliche H2-Hype sich zu mehr Realismus entwickelt hat? Dies auch vor dem Hintergrund, dass die IEA die erforderliche Elektrolyseurleistung für die Erreichung des Net Zero Szenarios (Zwischenziel Jahr 2030) von > 800 GW (Stand 2021) auf nunmehr knapp 600 GW (Stand 2023) reduziert hat? 

Michael Schmöltzer: Die Entwicklung des Wasserstoff-Sektors hat in den letzten Jahren einige wichtige Fortschritte gemacht. Die anfängliche Begeisterung für Wasserstoff hat sich in der Tat zu einer realistischeren Einschätzung der Möglichkeiten und Herausforderungen verändert. Dies ist auch notwendig, um nachhaltige und langfristige Lösungen zu finden.

Die Reduzierung der erforderlichen Elektrolyseurleistung durch die IEA zeigt, wie dynamisch sich dieses Umfeld entwickelt. Technologische Fortschritte, verbesserte Effizienz und wachsende Erfahrung tragen dazu bei, dass unsere Ziele realistischer und erreichbarer werden. Im Rahmen unserer Arbeit bei Uniper haben wir erkannt, dass die Integration von Wasserstoff in die bestehende Energieinfrastruktur eine Schlüsselrolle spielt. Ohne Speicher wird es nicht möglich sein, Wasserstoff-Kraftwerke in den Markt zu bringen. Es ist aber auch wichtig, dass wir weiterhin in Forschung und Entwicklung investieren, um die Technologie zu verbessern und die Kosten zu senken. Darüber hinaus müssen wir eine enge Zusammenarbeit mit allen relevanten Stakeholdern sicherstellen, um die Implementierung von Wasserstoff-Lösungen zu beschleunigen.

Insgesamt glaube ich, dass der Wasserstoff-Sektor trotz der Herausforderungen ein enormes Potenzial hat, zur Dekarbonisierung und zur Sicherstellung der Energieversorgung beizutragen. Wir müssen jedoch pragmatisch und zielgerichtet vorgehen, um den Markt schrittweise von einzelnen Clustern zu einem “vermaschten” System zu entwickeln. Beim Gasmarkt hat das mehr als 30 Jahre gedauert. 
 

Im Hinblick auf einen erfolgreichen, umfassenden, H2-Hochlauf sind H2-Speicher unabdingbar. Warum ist diese essenzielle Komponente einer H2-Wirtschaft so spät in den Fokus gekommen - zumal die Umsetzung eines H2-Speichers mehr als 5 Jahre dauert und sich somit der Zeitplan für den Aufbau der H2-Industrie noch mehr verengt?

MS: Die Notwendigkeit von Speichern ist in der Tat eine wesentliche Komponente für eine erfolgreiche Wasserstoffwirtschaft. Der Grund, warum dieses Thema erst jetzt verstärkt in den Fokus rückt, liegt unter anderem an den komplexen technischen Anforderungen und den langen Vorlaufzeiten für die Umsetzung solcher Projekte. Der Aufbau von Wasserstoff-Speichern erfordert nicht nur erhebliche Investitionen, sondern auch umfangreiche Planungs- und Genehmigungsverfahren, die mehrere Jahre in Anspruch nehmen können. Ebenso wichtig wie ein Regulierungsrahmen ist auch ein Finanzierungsrahmen, der die Risken einer Marktentwicklung minimiert, um Investitionsentscheidungen frühzeitig treffen zu können. 
Ein weiterer Faktor ist die bisherige Konzentration auf die Produktion und den Transport von Wasserstoff, während die Speicherung erst in der letzten Zeit stärker berücksichtigt wird. Zudem hat die Entwicklung und Skalierung von Speichertechnologien, die für den sicheren und effizienten Betrieb von Speichern notwendig sind, Zeit in Anspruch genommen. Um den Zeitplan für den Aufbau des Wasserstoffhochlaufs nicht weiter zu verzögern, ist es daher entscheidend, dass wir jetzt verstärkt auf die Entwicklung und Umsetzung von Speicherlösungen setzen. Dies erfordert eine enge Zusammenarbeit zwischen Industrie, Forschungseinrichtungen und Regulierungsbehörden, um die notwendigen Rahmenbedingungen zu schaffen. Nur so können wir die angestrebten Ziele der Wasserstoffwirtschaft erreichen und zur Dekarbonisierung beitragen.
 

Bild: © Uniper

Uniper beschäftigt sich derzeit in Deutschland vorwiegend mit der Umsetzung von Kavernenspeichern. In parallel werden auch Tests hinsichtlich Speicherung von H2 in Porenspeichern durchgeführt. Dürfen Sie die Resultate der Tests preisgeben und falls ja, wie lauten diese?

MS: Die Speicherung von Wasserstoff in Kavernen bietet eine vielversprechende Möglichkeit, die saisonalen Schwankungen im Energiebedarf auszugleichen und eine stabile Energieversorgung sicherzustellen. Unsere Tests in Deutschland haben gezeigt, dass Kavernenspeicher eine hohe Speicherkapazität und Effizienz bieten.
Gleichzeitig haben wir auch die Speicherung von Wasserstoff in Porenspeichern untersucht. Die bisherigen Ergebnisse sind aussichtsvoll und zeigen, dass auch diese Methode eine effiziente und sichere Möglichkeit zur Speicherung von Wasserstoff darstellt. Sowohl Kavernen- als auch Porenspeicher haben ihre eigenen Vor- und Nachteile, die wir kontinuierlich für verschiedene Anwendungsfälle und Kundenbedarfe evaluieren. 

Zusammengefasst lässt sich sagen, dass die Speicherung von Wasserstoff ein wesentlicher Bestandteil einer nachhaltigen und zukunftsorientierten Energieinfrastruktur ist.  Eine integrierte Entwicklung von Netzen, Speichern und Import-Terminals wäre auch volkwirtschaftlich der effizienteste Ansatz. Wir forschen und entwickeln kontinuierlich, um die besten Lösungen für die Wasserstoffwirtschaft zu finden. So haben wir beispielsweise auch den Kundenbedarf im Rahmen einer Marktbedarfserhebung erfasst.    
 

Da sich der Erdgassektor – bedingt, unter anderem, durch die vorgesehene Implementierung der H2-Industrie aber auch durch die angepeilte Umsetzung der Carbon Management Strategie – sehr schnell ändert, haben Sie die Notwendigkeit einer umfassenden Speicherstrategie erwähnt. Denken Sie daran in der angedachten Speicherstrategie „lediglich“ die gegenseitigen Interdependenzen zwischen Erdgas, H2 und einer sich anbahnenden CO2 Infrastruktur zu analysieren oder würden Sie vorschlagen auch die Entwicklung der Batteriespeicher sowie den Ausbau von Pumpspeichern einzubeziehen?

MS: Eine umfassende Speicherstrategie sollte alle Speicherlösungen hinsichtlich ihrer Wirkungsweise miteinbeziehen. Vor allem wäre es auch sinnvoll die Wechselwirkungen zwischen Erdgas, Wasserstoff, CO2-Infrastruktur und kurzfristigen Energiespeichern zu berücksichtigen, um einen koordinierten Transformationsprozess zu gewährleisten. Dies würde eine ganzheitliche Betrachtung der Energiespeichertechnologien ermöglichen und sicherstellen, dass alle Optionen zur Stabilisierung der Energieversorgung und zur Unterstützung der Dekarbonisierungsziele geprüft werden. Auch wenn der Gaseinsatz in den nächsten Jahren rückläufig sein wird, werden Untertage-Gasspeicher zur Abdeckung von Spitzenleistungen sowie zu Versorgungsicherheit noch lange Zeitz unverzichtbar bleiben.  
 

Wie könnte man die Aufgabenstellung hinsichtlich Speicherstrategie pragmatisch in Angriff nehmen?

  • Ausgestaltung eines Regulierungs- und Finanzierungsmodel, um bestehende Speicher zur Aufrechterhaltung der Versorgungssicherheit weiter betreiben zu können und Investitionen in die Umrüstung oder Neubau von H2 Speichern anzureizen. Die Entwicklung des Regulierungsrahmens sollte sich an den einzelnen Marktentwicklungsphasen orientieren, um Überregulierung zu vermeiden.  
  • Ein Finanzierungsmodell ist für Speicherbetreiber zwingend erforderlich, um Preis- und Mengenrisken - bei einem Zeitverzug von 5-7 Jahren zw. Investitionsentscheidung und Bereitstellung der Kapazität - zu minimieren.
  • Bedarfsgerechte Ermittlung des künftigen Speicherbedarfs für Gas und Wasserstoff sowie eine koordinierte Infrastrukturplanung, um Projekte frühzeitig entwickeln zu können.  
  • Die Verkürzung der Entwicklungszeiten sollte durch Beschleunigung staatlicher Planungs- und Genehmigungsprozesse unterstützt werden.

Sie haben im Rahmen eines intensiven H2eart for Europe-Workshops die Idee eines H2-”Gas Target Modells” – in Analogie zum sogenannten “Gas Target Modell”, das vor 15 Jahren iR des Madrid Forum – entwickelt wurde, vorgebracht. Welche Stakeholder sollten daran teilnehmen, wer sollte die Organisation übernehmen und welchen Stellenwert sollten die erzielten Ergebnisse bekommen?

MS: Ziel des damaligen “Gas Target Modell” Prozess war, anhand von Beurteilungskriterien, liquide Gas-Großhandelsmärkte in Europa zu entwickeln. In Analogie dazu wäre in einem ersten Schritt ein gemeinsames Verständnis zwischen den Marktteilnehmern in der Wertschöpfungskette und Vertretern der Behörden und ein Fahrplan zu entwickeln, einen Wasserstoffmarkt schrittweise und in koordinierter Weise in Europa zu entwickeln. Der Kommission könnte ähnlich wie beim Madrid Forum, die moderierende Rolle übernehmen. Die Empfehlungen und Erkenntnisse sollten dazu beitragen, eine effiziente, nachhaltige und zukunftsorientierte Wasserstoffspeicherstrategie zu entwickeln und umzusetzen. Das würde auch gewährleisten, dass die nationalen Behörden und Marktteilnehmer die Prozesse und Rahmenbedingungen anhand definierter Kriterien harmonisiert entwickeln können.

Ich bedanke mich nochmals für das Interview und für Ihre dafür aufgewendete kostbare Zeit.