Am 20. Mai 2025 ist der europäische Erdgaspreis überraschend um rund 6 % gestiegen – trotz stabiler Infrastruktur und rückläufigem Verbrauch in China. Ein Überblick über mögliche Ursachen.
Der Preis für Erdgas (TTF – Basis Day Ahead „End of Day“) ist am 20.5.2025 um ca. 6% gegenüber dem Vortag gestiegen. Welche Ursachen könnten so einen großen Preissprung bewirken – zumal bisher keine technischen Gebrechen von relevanten Erdgasinfrastrukturen gemeldet wurden die die Erdgasversorgung in der EU einschränken könnten und der sinkende Gasverbrauch in China eher auf eine Preisberuhigung wirken sollte.
Der erste Grund könnte ein CNN Report sein in welchem berichtet wird, dass sich Israel auf einen potenziellen Schlag gegen die iranischen Nuklearanlagen vorbereiten könnte. Aufgrund dieser Meldung ist der Erdölpreis (Brent) gestern um bis zu 3,5% gestiegen. Falls Israel so einen gezielten Angriff starten würde, wäre wahrscheinlich mit einem Gegenschlag des Iran zu rechnen. Ein potenzielles Ziel könnten Israels Offshore-Gasförderanlagen sein. Da Israel zwischenzeitlich große Mengen Erdgas nach Ägypten exportiert, könnte Ägypten indirekt betroffen sein – mit der Konsequenz, dass Ägypten noch mehr LNG zur Sicherstellung der eigenen Erdgasversorgung kaufen müsste/würde. Falls Israel – als Gegenreaktion - auch Erdgasförderanagen/-infrastruktur im Iran angreifen würde, könnten die Erdgaslieferungen des Iran an die Türkei (ca. 10% des jährlichen türkischen Verbrauchs – also in etwa 5 Mrd. Nm3/Jahr) eingeschränkt bzw. eingestellt werden – mit dem Resultat, dass auch die Türkei gezwungen sein könnte zusätzliches LNG am Weltmarkt zu kaufen – von der möglichen Erschwernis Erdgas aus Turkmenistan über den Iran in die Türkei zu liefern (Bartergeschäft) ganz zu schweigen.
Der zweite Grund könnten die angedachten zusätzlichen Sanktionspläne der EU sein. Wie hier bereits berichtet, plant die EU sämtliche Erdgasimporte aus Russland mit Ende 2027 zu unterbinden. Da für diese Art von Sanktionen die Zustimmung aller Mitgliedstaaten erforderlich ist und es möglich ist, dass Ungarn und die Slowakei sich querlegen könnten, beabsichtigt die EU eine Quotenregelung einzuführen. Die Quote für Erdgasimporte aus Russland wäre mit Null anzusetzen. Durch diese Herangehensweise könnte die Einstimmigkeit umgangen werden und die betroffenen Unternehmen hätten eine solide gesetzliche Vorgabe die sie zwingt aus den Langfristverträgen mit Gazprom auszusteigen. Gem. dem Vorschlag könnten bereits mit Ende 2025 neue Importverträge und existierende Spot-Verträge unterbunden werden. Da die Spot-Verträge ca. 1/3 der Importe aus Russland ausmachen, könnte ab Anfang 2026 eine zusätzliche Versorgungslücke entstehen die durch andere LNG-Importe geschlossen werden müsste.
Der dritte Grund ist verquickt mit der Lücke die durch den Wegfall der Spotverträge entstehen könnte. Hier stellt sich die Frage ob die geplanten, neuen, Liquefaction-Anlagen tatsächlich zeitgerecht und mit der vollen technischen Leistung ans Netz gehen werden. Aus diesem Grund werden die Projektfortschritte de relevanten Anlagen mit Argusaugen beobachtet und diesbezügliche Meldungen – wie beispielsweise die von QatarEnergy – genau analysiert. QatarEnergy hat verlautbart, dass die Versorgung aus dem Erdgasfeld North Field East (Teil des größten Erdgasfeldes der Welt, North Field) Mitte 2026 – anstatt wie ehemalig verlautbart Anfang 2026 - starten wird und somit die jährliche Liquefaction Kapazität von Qatar von 77 auf 110 Millionen Tonnen LNG (von 106 auf ca. 150 Mrd. Nm3/Jahr) erhöhen wird.
Wir werden hier über die Entwicklungen weiterhin berichten und - soweit möglich – eigene Analysen einbringen.